Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
Dagan dicht hinter ihr war, und wunderte sich, weil er nicht dort geblieben war und den Kampf aufgenommen hatte. Die Reaper waren doch in der gesamten Unterwelt als nahezu unbesiegbar gefürchtet.
„Ich will sie bloß ein wenig vom Haus weglocken“, beantwortete er ihre Frage, bevor sie sie gestellt hatte.
„Was sind das für Viecher?“
„Feuerdämonen.“
Für Roxy war es die erste Begegnung mit dieser Art von Höllenbrut. Jetzt hatte sie aber keine Zeit, das näher zu erörtern. Sie rannte auf das dichte Gehölz zu, das in einigem Abstand die Südseite des Kirchengrundstücks begrenzte.
Fast dort angekommen, hörte sie plötzlich eine fremde Stimme ganz dicht hinter sich: „Nicht so hastig, Otherkin.“ Im selben Augenblick wurde sie am Fußgelenk gepackt, sodass sie der Länge nach in den Dreck fiel. Ihre Schulter schmerzte von dem Aufprall, und ihre Zähne schlugen heftig aufeinander.
Mit einer schnellen Drehung in den Hüften versuchte Roxy sich zu befreien, aber der Griff um ihr Fußgelenk war solide wie eine Schraubzwinge. Gleichzeitig nahm sie einen Geruch von verbranntem Leder vermischt mit einer noch penetranteren Schwefelnote als vorhin auf der Veranda wahr.
Roxy wand sich. Sie stemmte den anderen Fuß mit der Ferse in den Boden und konnte sich so wenigstens in eine sitzende Position bringen. Auge in Auge fand sie sich nun dem Feuerdämon gegenüber. Eine weißlich-graue Rauchwolke verhüllte ein wenig die Sicht auf dieses Wesen. Der Geruch, den es ausströmte, stach unerträglich scharf in die Nase.
Aus dem Augenwinkel bekam Roxy mit, dass auch Dagan da war, auf den sich nicht weniger als drei Gegnerinnen gestürzt hatten, die sich von hinten an ihn klammerten. Ihr erster Gedanke war, wie sie die lästige Xaphan-Braut an ihrem Fuß loswerden könnte, um Dagan zu helfen. Auf den zweiten Blick konnte sie sich jedoch davon überzeugen, dass er keine Hilfe brauchte. Selbst wenn – und das war ihr zweiter Gedanke –, hatte sie eines im Überlebenskampf gelernt: Sie kam an erster Stelle.
Der Feuergeist drückte stärker zu und schüttelte Roxys Bein, wie ein Hund einen Knochen schüttelt, den er erobert hat. Der Griff um ihre Fessel war glühend heiß. Roxy raffte sich auf und schmetterte das Knie des anderen Beins von unten gegen das Kinn des Dämons. Der Effekt war ein Regen sprühender, rot glühender Funken, ein Loch mit verkohlten Rändern in den Jeans und darin eine abscheulich schmerzende und stinkende Brandwunde. „Scheiße, das waren meine besten Jeans“, schimpfte Roxy.
Zwar war der Kopf des Monsters durch Roxys Treffer zurückgeschnellt, den Griff hatte es aber nicht gelockert. Der Feuerdämon beugte sich wieder zu ihr vor und entblößte mit einem bösen Lächeln die Furcht einflößenden, spitzen Zähne. Die Augen funkelten in leuchtendem Orange.
Instinktiv griff Roxy zu ihrem Gürtel, aber zu ihrem Entsetzen war die Messerscheide leer. In einem Anflug von Panik fiel ihr ein, dass sie beide Dolche verloren haben musste, als ihre Gegnerin sie zu Fall gebracht hatte.
„Suchst du das hier?“ Der Dämon hielt ihr Messer hoch. Roxy traute ihren Augen nicht. Die Klinge begann zu glühen, sich zu verbiegen und war schließlich vollständig geschmolzen.
Verzweifelt blickte sie sich auf der Suche nach einer brauchbaren Waffe um, doch die Auswahl war erbärmlich. Dann griff sie blindlings in die Erde und schleuderte demUngeheuer eine Handvoll Sand und kleine Steine ins Gesicht.
Mit einem überraschten Aufschrei fuhr die Xaphan-Gespielin zurück und wischte sich den Dreck aus den Augen. Roxy nutzte den Augenblick, um ihr mit dem Stiefel so fest sie konnte gegen die Brust zu treten. Gleichzeitig rollte sie sich auf die Seite und ging in die Hocke. Mit einem Satz wollte sie wieder in Richtung des Wäldchens davonsprinten, kam aber nicht weit.
Mit einem kurzen Aufschrei fiel sie genauso hart wie beim ersten Mal zu Boden. Wieder hatten die langen schwarzen Krallen ihren Stiefel am Knöchel zu fassen bekommen. Die Hitze, die Roxy bei diesem Griff spürte, war noch unerträglicher als zuvor. Roxy hatte das Gefühl, ihr Fuß würde bis auf die Knochen versengt. Sie meinte sogar, ein Zischen zu hören, und es kostete sie alle Selbstherrschung, nicht laut aufzuschreien. Wie wild trat sie um sich, der Feuergeist blieb jedoch vollkommen unbeeindruckt.
Ratlos und halb verrückt vor Schmerzen blickte sie zu Dagan hinüber, aber von ihm war keine Hilfe zu erwarten. An jedem seiner Arme, am Hals,
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