Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
verspürte ein Flattern im Bauch. Roxy haderte mit sich, dass sie sich von diesen Worten beeindrucken ließ, während sie noch seinen Mund auf dem Hals und den Lippen zu spüren glaubte.
„Fuck you“, presste sie ärgerlich hervor.
„Mit dem größten Vergnügen“, konterte Dagan. „Aber das sollten wir lieber auf ein anderes Mal verschieben.“ Er machte einen Schritt zum Schalter, knipste das Licht aus, und um sie herum wurde es vollständig dunkel. „Es sei denn, du legst darauf Wert, dass wir Zuschauer haben.“
Zu gern hätte Roxy ausgeblendet, was sich vor der Tür zusammenbraute. Zu gern hätte sie ihm das Hemd vom Leib gerissen und gesehen, ob er dann immer noch so cool und reserviert blieb, wie er jetzt tat, aber das war jetzt nicht angesagt. Sie schämte sich ein bisschen, weil sie auf eine solche Idee überhaupt gekommen war.
„Was hat das da draußen zu bedeuten?“, fragte sie. „Nichts Gutes. Vor allem sind es mehrere, nicht nur einer.“ Roxy konzentrierte sich, bis auch sie die Signale empfing, die von draußen kamen. Da war etwas, das sich sehr schnell auf sie zu bewegte. Und Dagan hatte recht, dieses Etwas war nicht einer allein. Die Härchen auf ihrem Unterarm richteten sich auf. Ein ungeheurer Adrenalinschub ging durch ihren Körper.
„Hast du es schon einmal mit Übernatürlichen aufgenommen?“ Listig lächelnd fügte er hinzu: „Von mir abgesehen?“
„Nur mit ein paar Sterblichen, die andeutungsweise übernatürliche Kräfte hatten.“ Sie waren in etwa von Frank Marins Kaliber gewesen, also keine echte Herausforderung. „Dann hatte ich allerdings noch eine Auseinandersetzungmit einem untergeordneten Dämon, einem Abgesandten von Ha des.“
„Wie ist es ausgegangen?“
„Ich habe gewonnen.“ Es war knapp gewesen. Im Verlauf des Kampfes hatte es Momente gegeben, in denen Roxy sich nicht mehr sicher gewesen war, ob sie mit dem Leben davonkommen würde. Ihr waren ihre Grenzen aufgezeigt worden. Und sie hatte das als Warnung verstanden und in der Folge noch härter trainiert, um besser zu werden, was ihr auch gelungen war. „Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit wegen drei jungen Mädchen. Dieses Arschloch wollte sie an Asmodi verschachern, damit sie für den anschaffen gehen.“
„Bei so einem Arbeitgeber wird man nicht alt.“
„Ich fand, sie sollten lieber weiter auf die Highschool gehen.“
Dagan nickte zustimmend und sagte eine ganze Weile nichts. Dann meinte er: „Was uns da draußen erwartet, ist nicht mit dem zu vergleichen, was du bisher erlebt hast. Wenn dir also dein Leben lieb ist, tust du genau das, was ich dir sage. Dann passiert dir nichts.“
„Nett gemeint, aber ich kann schon ganz gut auf mich selbst aufpassen.“ Auch wenn das hieß, sich zur Not hinter ihm zu verstecken. Oder wegzurennen, so schnell sie konnte.
Wieder sah sie zu den Fenstern, hinter denen jedoch nichts weiter zu entdecken war als der dunkle Nachthimmel. Es war bedeckt, sodass sich weder Mond noch Sterne zeigten. Aber auch wenn äußerlich alles ruhig zu sein schien, wusste sie, dass dieser Schein trog. Die Schwingungen, die von dort draußen kamen, waren gewaltig, wurden jedoch noch von denen überlagert, die Dagan aussandte, was es Roxy noch schwerer machte, die Lage einzuschätzen.
„Nur mal so: Warum sind wir beide nicht einfach abgehauen, solange es noch die Möglichkeit dazu gab?“
„Weil mich brennend interessiert, was deine merkwürdigen Besucher hierhergeführt hat“, erwiderte er trocken.
Genau dasselbe hatte sie auch überlegt.
Sekunden verstrichen. „Nanu, kommt nichts von dir? Du hast doch sonst immer einen Kommentar auf Lager.“
„Im Augenblick nicht“, sagte sie.
Er machte ein Geräusch, von dem sie nicht sicher war, ob es ein leises Lachen sein sollte, und hielt Roxy mit der flachen Hand zurück, als hätte er Angst, dass sie gleich losstürmen würde.
Sie dachte gar nicht daran, sich in ein Wagnis zu stürzen, dessen Risiko sie nicht einschätzen konnte, und meinte nur: „Na schön, Krayl, steck deinen Kopf nach draußen, und dann sehen wir, was passiert.“ Nach kurzer Überlegung beschloss sie dann doch, die Karten auf den Tisch zu legen, und fügte hinzu: „Eines sag ich dir gleich: Sollte ich merken, dass es aussichtslos wird, nehme ich die Beine in die Hand und laufe, was ich kann.“
Dafür gab es triftige Gründe, und die lagen nicht in Roxys Feigheit. Vielmehr war ihr beigebracht worden, sich niemals gefangen nehmen zu lassen.
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