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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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aufs Bett. Wartete. Ungeduldig. Einerseits wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass sie wieder aus meinem Leben verschwand.
    Andererseits.
    Die Ahnung, dass es nicht von alleine geschehen würde. Dass ich ergründen musste, was in mir vorging. Woher die Stimme kam. Was sie von mir wollte.
    Die Meditationshalle war größer, als es von außen den Anschein hatte. Sie bot Platz für mehrere Hundert Menschen, war mit rotem Teppich ausgelegt, in einer Ecke stapelten sich rote Decken und blaue Meditationskissen. In drei Glasvitrinen standen verschiedene Buddhafiguren, auf kleinen Tellern davor lagen Opfergaben: ein paar Orangen, Bananen, Kekse. Der süßliche Duft glimmender Räucherstäbchen füllte die Halle.
    Ich kam etwas spät, Amy und die anderen saßen bereits meditierend in einer Reihe; ich nahm ein Kissen und eine Decke und setzte mich im Lotussitz dazu. Ich schloss die Augen und hörte den gleichmäßigen Atem der anderen. Bei mir wollte sich diese Ruhe nicht einstellen. Mein Herz pochte heftig, mein Atem blieb kurz und schnell. In meinem Kopf rumorte es. Gedanken zogen an mir vorbei wie Wolken, die ein heftiger Wind vor sich hertreibt. Ich dachte an Mulligan und seine buschigen Augenbrauen. An die kleinen Ohren meines Bruders, die er von unserer Mutter geerbt hatte. An U Bas grünen, ausgewaschenen Longy. Ich sah eine Eisscholle in einem See, die langsam schmolz, bis sie ganz verschwunden war. Ich dachte an meine Schuhe, die geputzt werden müssten. An die Milch, die in meinem Kühlschrank ranzig wurde.
    Je angestrengter ich versuchte, mich zu konzentrieren, desto banaler und aufdringlicher wurden meine Gedanken. Es war wie in meiner Yogaklasse wenn ich zu meditieren versuchte. Das tiefe OM meines Lehrers brachte nichts in mir zum Klingen. Entspannte Leere, buddhistische Gelassenheit stellten sich nicht ein. Stattdessen Ärger über mich selber. Warum war ich nicht in der Lage, still zu sitzen und nichts zu tun? Weshalb konnte ich den steten Gedankenfluss in meinem Kopf nicht kontrollieren?
    Ich öffnete die Augen. Nicht einmal zehn Minuten waren vergangen. Welchen Sinn machte es, hier noch über eine Dreiviertelstunde regungslos zu sitzen und mich von überflüssigen Gedanken quälen zu lassen? Konnte ich meine Zeit nicht besser nutzen? Spazieren gehen? Lesen? Beim Vorbereiten des Abendessens helfen? Ich war kurz davor aufzustehen, als ich hinter mir Schritte hörte. Die leichten, flinken Schritte eines Kindes. Ich drehte mich um. Ein Mönch, ein kleiner, alter Asia te in dunkelroter Kutte, den Kopf kahl geschoren, kam auf mich zu, setzte sich neben mich. Unsere Blicke trafen sich, er begrüßte mich mit einem vertrauten Lachen.
    Als würden wir uns seit Jahren kennen.
    Ich konnte meine Augen nicht von ihm wenden. Er trug eine absurd große Brille mit dicken Gläsern, das schwarze Gestell war viel zu kräftig für sein schmales Gesicht. Seine Nase war ungewöhnlich spitz, die Augen klein. Die vollen Lippen erinnerten mich an Botoxmünder. Wenn er lächelte, kam ein kräftiger Oberbiss zum Vorschein. Gleichzeitig bewegte er sich mit großer Anmut und strahlte eine Würde aus, die ich mit seiner äußeren Erscheinung überhaupt nicht in Einklang bringen konnte. Entweder war er sich ihrer nicht bewusst, oder sie war ihm völlig gleichgültig.
    Er legte die Hände in den Schoß, schloss die Augen, und ich sah, wie sich seine Züge weiter entspannten.
    Ich versuchte es selbst noch einmal, doch nun hatte ich fortwährend das Gesicht des Alten vor Augen. Von Minute zu Mi nute wurde ich unruhiger. Mein Becken schmerzte, im Rücken zog es. Der Hals fing an zu jucken. Eine Marter, an Kontemplation war nicht zu denken.
    Irgendwann ertönte der Gong, der das Ende der Meditation anzeigte. Erleichtert öffnete ich die Augen. Der alte Mönch neben mir war verschwunden. Ich schaute mich irritiert im Raum um. Amy regte sich noch nicht, die anderen erhoben sich langsam.
    Von ihm fehlte jede Spur.
    Kurz darauf trafen wir uns mit den anderen Gästen zum Abendessen. Sie lebten alle in New York City. Eine Yogalehrerin in meinem Alter. Ein älterer Witwer, der in der Meditation Abschied von seiner vor einem Jahr verstorbenen Frau nehmen wollte. Eine Studentin auf der Suche, ohne zu wissen, wonach. Ein Journalist, der an einem Buch über die »Macht der Stille« arbeitete und fortwährend redete. Ich aß mein Gemüsecurry und hoffte, er würde interessanter schreiben als erzählen. Dabei ging mir der alte Mönch nicht aus dem

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