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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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Wut und Verzweiflung mit beiden Fäusten auf ihrem Leib herum, bis ihre Arme erlahmten. Nichts von alldem half. Ihr Bauch wuchs, und sie begann, ihren Zustand so gut es ging zu ignorieren. Als würde das Kind durch ihre Gleichgültigkeit aufhören zu wachsen und aus ihrem Leben verschwinden.
    Eines Abends saßen sie schweigend am Feuer, Ko Gyi schlief, und Maung Sein betrachtete lange seine Frau. Die Wölbung ihres Bauches war nicht mehr zu übersehen.
    »Freust du dich nicht?«, fragte er fast beiläufig und kratzte mit einem Blechlöffel seine Schale Reis aus.
    Nu Nu starrte in die Flammen. Sie fühlte sich gelähmt. Das Atmen fiel ihr schwer. In kurzen Zügen sog sie die Luft ein und stieß sie hastig wieder aus. Ihr Herz raste. Die Furcht war zurück, die Leichtigkeit der vergangenen Monate nur noch eine blasse Erinnerung. Warum gehorchte ihr Körper ihr nicht? Warum hatte er das Etwas in ihr nicht schon vor Wochen ausgeschieden?
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Nein, ich freue mich nicht.«
    Er nickte, als hätte er diese Antwort erwartet.
    »Warum nicht?«
    Einen Moment überlegte sie, ob es ihm vielleicht ähnlich ging. Ob auch er in seinem Herzen keinen Platz mehr hatte. Ob sie vielleicht gemeinsam eine Lösung finden könnten. Es gab mehrere junge Frauen im Dorf, die nicht schwanger wurden und sich über ein Kind freuen würden.
    »Ich möchte kein zweites Kind.«
    »Warum nicht?«, wiederholte er, ohne sie anzuschauen.
    »Es kommt zu früh.« Später. Vielleicht.
    »Hast du Angst vor der Geburt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Wovor dann?«
    Wenn sie darauf eine Antwort wüsste.
    »Wie kann ich dir helfen?«
    »Mich zu freuen?«
    Er nickte, und sie sah die Ernsthaftigkeit in seinen Augen. Wenn es so einfach wäre.
    »Und du?«, erkundigte sie sich zaghaft.
    Sein Lachen im Schein der Flammen.
    »Ich freue mich. Sehr sogar. Etwas Schöneres hätte nicht passieren können.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Nicht für mich.«
    »Hast du keine Angst?«
    »Nein. Wovor?« Er blickte sie prüfend an. »Sollte ich?«
    Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte noch einmal kurz den Kopf. »Vielleicht könnten wir ja überlegen …« Nu Nu beendete den Satz nicht.
    »Vielleicht können wir was?«
    »Es gibt Frauen im Dorf …« Sie sah die Freude in seinen Augen. Er würde für ihre Gedankenspiele kein Verständnis haben.
    »Was ist los mit dir?«, fragte er besorgt.
    Sie zuckte mit den Schultern. Hilflos. Wie sollte sie erklären, was sie selbst nicht verstand?
    Maung Sein rückte an seine Frau heran und legte einen Arm um ihre Schulter.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr.
    Drei Worte, die sonst nie ihre Wirkung verfehlten.
    »Ich liebe dich«, wiederholte er leise.
    Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
    »Hab keine Angst. Beim zweiten Kind wird es immer einfacher. Ich habe die Hebamme gefragt.«
    Nu Nu nickte. Im nächsten Moment verspürte sie einen heftigen Tritt, der sie zusammenzucken ließ.
    Es war kein tastendes Strampeln, wie sie es von Ko Gyi in Er innerung hatte, es war ein wildes Boxen und Umsichschlagen.
    Maung Sein entzündete eine Kerze, die er auf einer Blechdose festwachste, und legte sich zu seiner stillenden Frau. Er lauschte den schmatzenden Geräuschen seines gierig saugenden Sohnes. Als der erschöpft eingeschlafen war, wickelte ihn Nu Nu in zwei Tücher und legte ihn neben ihren Mann auf die andere Seite. Für eine Weile ruhten sie schweigend nebeneinander.
    »Glaubst du, dass ein Mensch sich häuten kann?«, fragte sie plötzlich.
    Er blickte Nu Nu im flackernden Licht der Kerze verwirrt an. Seinen Augen und der leicht gekräuselten Stirn merkte sie an, dass er nicht verstand, was sie meinte. »Was meinst du mit häuten?«
    »Häuten. So wie Schlangen. Oder Lurche.«
    Maung Sein vermutete, seine Frau mache einen Scherz, und lächelte. Er zwickte sie in den Arm und zog sanft an ihrer Haut. »Du jedenfalls nicht. Sie sitzt ziemlich fest.«
    Nu Nu musterte ihn ernst. »Ich meine nicht unseren Körper. Ich meine unsere Seele.«
    »Unsere Seele?«, entgegnete er überrascht.
    »Ich frage mich, ob wir einen Teil von uns abstreifen können, wenn etwas anderes nachgewachsen ist? Wie alte Schlangenhaut eben. Kann aus einem gequälten Geist ein gelassener werden? Aus einem traurigen ein glücklicher? Aus einem einsamen ein geselliger? Nicht für einen Abend oder eine Woche. Für immer.«
    Maung Sein verschränkte die Arme unter dem Kopf und schaute

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