Herzenstimmen
seine Reaktion.
Sie fragte sich, was ihr Sohn mit ihr gemacht hatte. Selbst ihre Haut war seit seiner Geburt zur Ruhe gekommen.
Ungläubig betrachtete sie immer wieder ihre Unterarme. Ihre Beine. Ihren Hals. Den Bauch. Nirgendwo entdeckte sie auch nur die Andeutung einer roten Pustel.
Nu Nu fühlte sich so stark und sicher, dass sie nicht einmal mehr schlechten Omen große Beachtung schenkte. Als auf dem Weg zum Markt eine tote Katze mit Schaum vor der Schnauze vor ihr auf der Straße lag, maß sie dem keine besondere Bedeutung bei. Als sich Maung Sein beim Schnitzen eines Holzfisches für seinen Sohn verletzte, tat sie es als Missgeschick ab.
Selbst als die Sau des Nachbarn an Nu Nus Geburtstag sechs Ferkel warf und eines davon mit zwei Köpfen auf die Welt kam, beunruhigte sie das nicht. Für eine kurze Zeit glaubte sie, immun zu sein gegen die Bedrohungen und Unwägbarkeiten des Lebens.
Bis zu jenem Abend.
Manchmal genügen Sekunden.
9
S ie wusste es sofort.
Auch beim zweiten Mal. Ohne den Anflug eines Zweifels.
Ein Teil von ihm würde in ihr bleiben. Sich einnisten. Wachsen.
Etwas an dieser Nacht war anders gewesen. Aus anfänglicher Lust war Unbehagen geworden.
Sie wollte sich ihm nicht geben. Sie wollte nicht berührt werden. In keiner Weise.
Maung Sein schien es nicht zu bemerken, oder aber er glaubte, sie mit seiner Leidenschaft verführen zu können. Er küsste zärtlich ihren Hals. Seine Hände glitten an ihr herab, seine Finger spielten mit ihr, und was sonst das Begehren steigerte, wurde ihr zunehmend unangenehmer.
Als ahnte sie bereits, dass alles, was sie in dieser Nacht taten, zu keinem guten Ende führen würde.
Sie wollte ihn bitten, es zu lassen, mochte ihn aber nicht enttäuschen. Was machte es, wenn sie einmal nicht das gleiche Maß an Lust verspürten? Wenn sie es nur ihm zu Gefallen tat?
Später, als er in sie eingedrungen war, fühlte sie einen stechenden Schmerz im Unterleib, der immer heftiger wurde, je stärker er sich bewegte. Noch einmal wollte sie ihn bitten aufzuhören, zögerte und ließ es geschehen.
Über sich ergehen.
Nachdem es vorbei war, lag er schwer atmend neben ihr, und Nu Nu unterdrückte mit aller Macht ihre Tränen.
Ein Teil von ihm.
Doch dieses Mal wollte sie ihn nicht. Die Vorstellung, in ihr wachse etwas, war ihr vom ersten Moment an zuwider.
Am liebsten wäre sie in den Hof gegangen, hätte sich einen Finger tief in den Hals gesteckt und so lange gekotzt, bis alles Fremde aus ihrem Körper entwichen war.
Sie wollte kein zweites Kind. Nicht jetzt. Später. Vielleicht.
Ko Gyi genügte ihr. Er und ihr Mann. Die Distanz, die sie in den letzten Monaten der Schwangerschaft zwischen ihnen verspürt hatte, war der gewohnten Vertrautheit gewichen. Sie freute sich, wenn er vom Feld kam, verschwitzt, wie er war. Sie brauchte seine Nähe. Seine Ruhe. Nu Nu konnte sich nicht vorstellen, ihr neues Kind so zu lieben wie die beiden. Für einen weiteren Menschen war kein Platz in ihrem Leben. Später. Vielleicht. Jetzt würde er nichts als Unglück bringen.
In den ersten Tagen hoffte sie, sich getäuscht zu haben. Da sie Ko Gyi noch stillte, spürte sie zunächst keine großen körperlichen Veränderungen.
Dann begann die Übelkeit am Morgen, das Ziehen im Unterleib.
Nu Nu flehte ihren Körper an, er möge auf sie hören und das winzige Nichts abstoßen. Sich verschließen. Es einfach nicht ernähren und irgendwann in einem Schwall aus Blut aus ihr herausschwemmen.
Als das nicht geschah, versuchte sie es mit ihrer Willenskraft. Mehrmals am Tag hockte sie sich hin, schloss die Augen, atmete tief durch und konzentrierte sich ganz auf den Fremdkörper in ihr: Er musste weg. Weg. Weg. Raus. Raus. Raus.
Zur Unterstützung ging sie jeden Morgen zu dem Geist, der im Feigenbaum wohnte, brachte ihm Papayas und Bananen als Opfergaben. Möglicherweise hatte er die Macht, das wachsende Leben in ihr zu beenden.
Nu Nu erinnerte sich an die Worte der Frauen auf dem Feld. Während der ersten Schwangerschaft hatten sie ihr geraten, achtzugeben und nicht zu schwer zu tragen, sonst gefährde sie das Kind. Jetzt schonte sie sich nicht. Mit ihrem Sohn auf dem Rücken erledigte sie die schwersten Arbeiten auf dem Feld und im Haus, bis Maung Sein seine Frau ermahnte, mehr Rücksicht auf sich zu nehmen. Ko Gyi brauche eine gesunde Mutter.
Sie sagte ihrem Mann nichts, hoffte, ihr Körper würde endlich auf die Strapazen, die sie ihm zumutete, reagieren. Mehrmals trommelte sie vor
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