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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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sorgenvoller Miene an, gab ihrem Hocker einen kräftigen Schubs und kam zu mir herübergerollt.
    »Was ist los?«
    Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Lass mich raten: Mulligan hat dich rausgeschmissen.«
    Ich deutete ein Kopfschütteln an.
    »Deine Mutter ist gestorben.«
    Ich schluckte die ersten Tränen herunter.
    Amy seufzte tief. »O . k., es ist etwas Ernstes!«
    Vielleicht war es ihr Humor, den ich am meisten an ihr mochte.
    »Sag schon, was ist passiert?«
    »Wie sehe ich denn aus?«, versuchte ich ihrer Frage auszuweichen.
    »Wie ein verängstigtes Hühnchen.«
    Ich schwieg eine Weile, Amy wartete geduldig auf eine Antwort.
    Es fiel mir schwer, den Satz auszusprechen, der seit einer Stunde unaufhörlich durch meinen Kopf geisterte. »Ich habe Angst, verrückt zu werden.«
    Sie musterte mich nachdenklich. »Und was genau, wenn ich fragen darf, gibt dir Anlass zu dieser Befürchtung?«
    »Ich habe das Gefühl, jemand verfolgt mich.«
    »Ein Stalker? Sieht er gut aus?«
    »Kein Stalker. Ich höre eine Stimme.« Ich erschrak über den Satz. Er war mir peinlich, selbst Amy gegenüber.
    »Seit wann?«, fragte sie jetzt sehr ernst, ohne dabei jedoch sonderlich überrascht zu klingen.
    »Seit heute Morgen«, antwortete ich und erzählte, was im Büro und zu Hause geschehen war.
    Amy verharrte regungslos auf ihrem Hocker und hörte zu. Manchmal nickte sie, als wüsste sie genau, wovon ich sprach. Als ich fertig war, stand sie auf, legte den Pinsel beiseite und ging zwischen ihren Bildern auf und ab. Das tat sie oft, wenn sie angestrengt nachdachte.
    »Ist es das erste Mal?«, fragte sie und blieb stehen.
    »Ja.«
    »Droht sie dir?«
    »Nein, wie kommst du darauf?«
    »Beschimpft sie dich?«
    »Beschimpfen?«
    »Sagt sie dir, dass du eine nichtsnutzige alte Schlampe bist? Eine lausige Anwältin? Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis alle merken, wie blöd du eigentlich bist?«
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Nein.«
    »Erteilt sie dir Befehle?«
    Ich wusste nicht, worauf sie mit ihren Fragen hinauswollte.
    »Sagt sie dir, dass du Mulligan eine Tasse Kaffee ins Gesicht kippen sollst? Aus dem Fenster springen musst? Nicht in gelbe Taxis steigen darfst, weil dich sonst der Fahrer vergewaltigt oder nach Pakistan verschleppt und zu seiner Drittfrau macht?«
    »Nein. Wie kommst du auf so einen Unsinn?«
    Amy überlegte. »Was sagt sie dann?«
    »Nicht viel. Im Büro hat sie mich vor den Kollegen gewarnt, sonst stellt sie nur Fragen.«
    »Was für Fragen?«
    »Wer bist du? Warum lebst du allein? Weshalb hast du keine Kinder?«
    Ein erleichtertes Lächeln flog über ihr Gesicht. »Interessante Fragen.«
    »Wieso interessant?«
    »Ich kenne noch jemanden, den deine Antworten inte ressieren würden. Haben unsere Stimmen vielleicht Ähn lichkeit?«
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen«, sagte ich enttäuscht. Spürte sie nicht, wie sehr ich ihren Zuspruch brauchte?
    »Mache ich nicht«, sagte sie, kam zu mir, hockte sich neben mich und strich mir liebevoll über den Kopf.
    »Aber diese Fragen klingen nicht so dramatisch. Ich hatte andere Befürchtungen.«
    »Was für Befürchtungen?«
    »Stimmen hören ist oft eine psychotische Reaktion. Es ist ein typisches Symptom bei einer beginnenden Schizophrenie. Da ist die Prognose schlecht. Nur schwer heilbar. Aber in solchen Fällen fühlen sich die Betroffenen von den Stimmen bedroht. Sie bekommen Befehle erteilt. Springen von Hausdächern oder erstechen ihren Nachbarn. Melancholiker hören oft Beschimpfungen. Das trifft auf dich alles nicht zu.«
    »Woher«, fragte ich verwundert, »weißt du so viel über Menschen, die Stimmen hören?«
    »Habe ich dir nie erzählt, dass mein Vater auch eine Stimme hörte?«
    Ich starrte sie überrascht an. »Nein.«
    »Meine Mutter hat es mir ein paar Jahre nach seinem Tod erzählt. Danach habe ich alles gelesen, was ich über das Thema finden konnte.«
    »War dein Vater schizophren?«
    »Nein. Ich glaube, bei ihm war es ein relativ harmloses Phänomen.«
    »Was hat er dagegen gemacht?«
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Ich vermute, er hat die Stimme als jemanden empfunden, der ihm hin und wieder Ratschläge gab.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Leider hat er nicht immer darauf gehört.«
    »Was heißt das?«
    »Meine Mutter sagt, am Tag des Absturzes hätte die Stimme ihm erklärt, er müsse umkehren. Er dürfe nicht in diese Maschine einsteigen. Er hat sie noch vom Flughafen aus angerufen.«
    »Warum hat er nicht

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