Herzenstimmen
fiebriges Lächeln.
Thar Thar wartete in der Küche auf mich. Er kniete vor der Kochstelle und fächelte das Feuer an. In einer Ecke standen mehrere Schüsseln, Töpfe und Körbe mit Kartoffeln, Tomaten, Blumenkohl, Karotten und Ingwer, daneben hingen Knob lauchzwiebeln und getrocknete Chilipfefferschoten. Auf einem Holzbalken standen nebeneinander einige Dosen und Flaschen voll brauner und schwarzer Flüssigkeiten.
Zum Frühstück gab es das Gleiche wie am Abend zuvor, jedoch mit zwei Spiegeleiern auf dem Reis, dazu kräftigen schwarzen Tee, der auf dem Gaumen ein pelziges Gefühl hinterließ.
»Für die Kinder koche ich sehr mild. Möchtest du es etwas schärfer?«
»Gern.«
Er nahm eine Plastikdose mit gestoßenem Chilipfeffer und sprenkelte einen Teelöffel davon über mein Curry.
Es war eine angenehme Schärfe, die sich sofort in meinem Mund ausbreitete. Nach dem zweiten Löffel brannten meine Lippen, aber nicht so, dass es schmerzte.
Thar Thar schälte unterdessen Ingwer und schnitt ihn in kleine Scheiben.
Als ich aufgegessen hatte, sagte er: »Du hast die Wahl: fegen, kochen oder waschen?«
»Kochen.«
»Gut. Das können wir gemeinsam machen. Vorher müssen wir Eier sammeln.« Er gab mir einen Korb, und wir gingen auf den Hof. Sofort kamen Hühner auf ihn zu, liefen gackernd um seine Beine, als hätten sie ihn bereits erwartet.
»Wie viele Hühner habt ihr?«
»Ich weiß es nicht. Es werden immer mehr, ich habe aufgehört zu zählen.«
»Haben sie Namen?«, rutschte es mir heraus.
Er drehte sich abrupt zu mir um. »Wer gibt seinen Hühnern Namen?«
»Kinder«, erwiderte ich hastig und verlegen.
Thar Thar lächelte. »Einige von ihnen haben Namen, andere nicht. Es sind zu viele.«
Er stieß einen kurzen Pfiff aus, und aus dem Gebüsch kam eine dunkelbraune, leicht zerzauste Henne angelaufen. »Das ist Koko, mit ihr fing alles an.«
Er bückte sich, und das Tier hüpfte auf seinen ausgestreckten Arm. Dort saß es wie ein Papagei, neigte fortwährend den Kopf von einer Seite zur anderen und glotzte mich an.
Ich trat einen Schritt zurück.
»Sie beißt nicht, keine Angst«, sagte Thar Thar und setzte sie wieder ab. »Sie ist nur sehr zutraulich, das ist ungewöhnlich für Hühner.«
Wir holten zwei Dutzend Eier aus Erdkuhlen, Laubhäufchen, Reisignestern, Thar Thar kannte alle ihre Verstecke.
In der Küche gab er mir ein Holzbrett, ein scharfes Messer und stellte einen Korb voller Tomaten neben mich, die ich vierteln sollte.
Er selbst schälte einen Berg Kartoffeln. Von seinen gleichmäßigen Bewegungen ging eine fast meditative Ruhe aus.
»Du weißt, wie ich lebe, und ich weiß gar nichts über dich«, sagte er plötzlich, ohne von den Kartoffeln aufzublicken.
»Was möchtest du wissen?«, fragte ich, überrascht, wie sehr mich sein Interesse freute.
»Alles, was du mir erzählen magst.«
»Stell mir Fragen, ich beantworte sie.«
»Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Das wäre sehr unhöflich. Ich kann einem fremden Menschen nicht einfach Fragen stellen.«
»Aber es wäre leichter für mich«, erklärte ich herausfordernd. »Wenn ich dich darum bitte, ist es nicht unhöflich.« Ich warf ihm von der Seite einen Blick zu. Amy würde das vermutlich Flirten nennen.
Thar Thar antwortete mit einem frechen Lachen. »Gut.« Er ließ die Hände sinken, legte das Messer weg und überlegte lange. Dann sagte er: »Was ist dir wichtig?«
Ich hätte mich beinah in den Finger geschnitten. Das war nicht die Art von Fragen, mit denen ich gerechnet hatte. Die üblichen Erkundigungen nach meinem Beruf hatte ich erwartet. Nach Wohnort, Familie, Alter, Einkommen. Aber: Was war mir wichtig? Ich überlegte, wie ich darauf antworten könnte. Meine Arbeit? Selbstverständlich. Die Freundschaft mit Amy, U Ba natürlich! Meine Mutter? Mein Bruder? Beide auf ihre Art. War es das, was er wissen wollte?
Thar Thar spürte, dass er mich in Verlegenheit gebracht hatte. »Entschuldige«, sagte er. »Du siehst, ich bin ein ganz und gar ungeübter Fragensteller. Das war eine dumme Frage.«
»Nein, nein, gar nicht«, widersprach ich. »Sie ist nur nicht so leicht zu beantworten.«
»Oh«, sagte er erstaunt. »Es war die einfachste, die mir einfiel.«
»Es ist eine sehr persönliche.«
»Und die stellt man nicht?«
In seiner offenen Unbefangenheit erinnerte er mich an meinen Bruder. Auch Thar Thar war ohne Arg. Wie war das möglich nach allem, was er erlebt hatte?
»Doch, schon, aber vielleicht nicht so
Weitere Kostenlose Bücher