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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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würdigeren Häuptling kann man sich kaum vorstellen. Er war letztes Jahr in dieser Gegend, aber sein
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kann inzwischen schon wieder weit fortgezogen sein.«
    Sondra hörte Derrys Sessel knarren, als er aufstand und zum Moskitonetz ging. Erst spähte er einen Moment durch das Netz hinaus, dann öffnete er es einen Spalt und sah zum Himmel hinauf.
    »Wo sie wohl sind?« murmelte er vor sich hin.
    »Wer?«
    »Die Slums des Himmels.« Er lachte kurz auf. »Denn da komme bestimmt ich einmal hin.«
    Sie betrachtete ihn, registrierte jede Linie seines Körpers, der sich umrißhaft aus der Dunkelheit hob.
    »Da oben ist ein neuer Stern«, sagte er leise. Er drehte sich nach ihr um. {208} Sondra stellte ihre Tasse weg und ging zu ihm.
    »Sehen Sie?« sagte er und wies zum schwarzen Himmel hinauf. »Das winzige Licht da, das sich ein wenig schneller bewegt als die anderen.«
    Sondra sagte, »Ja«, aber in Wahrheit sah sie nichts als Myriaden von Sternen, die wie achtlos hingestreut am samtigen Nachthimmel leuchteten. Derry machte sie auf Dinge aufmerksam, die sie nicht sehen konnte; die sie nicht sehen wollte, da sie in diesem Zufallsuniversum keine Ordnung finden wollte.
    »Da«, sagte er leise. »Da können Sie das Kreuz des Südens erkennen. Es ist das Tor nach Tansania und zur südlichen Hemisphäre. Da drüben ist der Große Bär. Er steht auf dem Kopf. Und direkt über Ihrem Kopf, Sondra, schauen Sie –« Er legte ihr die Hand auf den Rücken – »das ist der Zentaur, und da sind Alpha und Beta.«
    »Wo ist der neue Stern, von dem Sie eben sprachen?«
    »Gleich da drüben, dicht bei den Pleiaden. Es ist ein Nachrichtensatellit. Wenn man den afrikanischen Nachthimmel so gut kennt wie ich, sieht man sie leicht.«
    Er senkte den Kopf und sah sie mit einem schwachen Lächeln an. »Sie lieben Afrika, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Er zögerte einen Moment, dann sagte er nur:
    »Wir sollten uns jetzt schlafen legen. Sobald die Massai hören, daß wir hier sind, wird’s hier lebendig werden.«
     
    Der Morgen war herb und kühl. Sondra nahm ein herzhafteres Frühstück zu sich, als es sonst ihre Gewohnheit war. Sie hatte gut geschlafen, ruhig und ohne Träume, und hatte sich nach dem Erwachen mit dem frischen Wasser gewaschen, das einer der Fahrer im Bach geholt hatte.
    Während die Fahrer noch dabei waren, das Geschirr zu spülen und das Lager in ein Feldkrankenhaus umzufunktionieren, erschienen die ersten Massai.
    Scheu blieben sie einige Meter vor dem Lager stehen: hochgewachsene junge Krieger, die sich auf ihre Speere stützten, mit langem geflochtenen Haar und schlanken, rot bemalten Körpern, die in der Morgensonne glänzten; schöne, langgliedrige Mädchen in Umhängen aus gegerbter Kuhhaut, mit nackten Brüsten und kahlgeschorenen Köpfen, auch ihre Körper rot gefärbt, so daß sie wie Standbilder aus rotem Zandelholz glänzten, bunte Perlenketten um Hals, Arme und Fesseln. Ältere Frauen mit kleinen Kindern und Säuglingen auf dem Rücken oder an der nackten Brust schwatzten miteinander wie muntere Vögel, tauschten lächelnd {209} und lebhaft gestikulierend die letzten Neuigkeiten aus. Alte Männer kauerten schon auf der Erde und gruben die Löcher für das Spiel, das sie den ganzen Tag lang spielen würden. Die Kinder, mit geschorenen Köpfen wie alle Massai außer den jungen Kriegern, spielten nackt im Sand oder hielten sich an den Umhängen ihrer Mütter fest, während sie mit großen runden Augen die
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anstarrten.
    Innerhalb einer Stunde hatte sich eine große schwatzende, lachende Menge angesammelt – wenn der weiße Mann sein Baumkrankenhaus aufschlug, war das immer willkommener Anlaß zu Abwechslung und Unterhaltung.
    Pastor Thorn stellte sich unter einen Baum und begann aus der Genesis vorzulesen. Nur wenige hörten ihm zu; die ganze Aufmerksamkeit der Eingeborenen gehörte der weißen Frau.
    Sondra, die damit beschäftigt war, auf dem Klapptisch Thermometer, Medikamente und Spritzen zurechtzulegen, merkte es erst, als sie sich umdrehte. Fragend blickte sie Derry an, als sie aller Augen auf sich gerichtet sah.
    »Was ist los?«
    »Sie sind fasziniert von Ihnen.«
    Hitze und Insektenschwärmen, Sprachschwierigkeiten und eingeborenem Aberglauben zum Trotz taten Derry und Sondra ihre Arbeit. Die Massai hatten Malaria, Schlafkrankheit und Parasiten, und während sie die Patienten betreuten, las Pastor Thorn unter seinem Baum unermüdlich aus der Bibel.
    Die ruhige Arbeit an Derrys Seite, die

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