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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sein Blick das ganze Tal in sich einschloß, und sie erkannte auf seinem Gesicht die innere Bewegtheit.
    Es machte sie beinahe ein wenig verlegen, ihn so weich und offen zu sehen, verletzlich fast; zugleich aber war sie froh, daß er ihr diesen Blick {206} in sein Innerstes erlaubte. Dieses wilde, ungezähmte Land weizenheller Täler und grüner Hügel war der Schlüssel zu Derry Farrars Wesen. Ihm fühlte er sich zugehörig. Sie glaubte beinahe, die Sehnsucht seiner Seele zu spüren, hinauszufliegen und das Land zu umarmen wie der heimkehrende Sohn seine Familie. Sie beneidete ihn. Derry hatte seinen Ort gefunden. Er wußte, wer er war und wohin er gehörte.
    Am späten Nachmittag erreichten sie Norok, eine Siedlung aus Löschbetonhäusern mit Wellblechdächern im Schatten hoher Akazien. An der einzigen Tankstelle drängten sich die Safarifahrzeuge der Touristen. Die drei Autos hielten vor dem kleinen Warenhaus des Ortes, um Benzin zu kaufen.
    Derrys Bewegungen hatten den Schwung eines jungen Mannes, als er in den Laden ging. Sein ganzes Verhalten, selbst seine Körperhaltung hatten sich nach dem kurzen Aufenthalt in Kijabe verändert. Er lachte und scherzte mit dem indischen Ladenbesitzer, der hinter der Theke stand, schwatzte kurz mit einer Gruppe alter Massai und drückte Sondra gutgelaunt eine Flasche eisgekühltes Bier in die Hand. Er ist heimgekommen, dachte sie.
    Hinter Narok ging der Asphalt in Schotter über, und als die Wagen im späten Licht in Richtung zur Keekorok Safari Lodge abbogen, gelangten sie auf eine Piste, die nur aus zwei tiefen Furchen im üppig wuchernden Gras bestand. Die Ebenen, die vor ihnen lagen, waren in kupferrotes Licht getaucht, und die Akazien warfen lange Schatten. Ein Rudel Löwen, das gesättigt im Schatten eines Dornbuschs döste, rührte sich kaum, als die drei Fahrzeuge vorüberratterten.
    Nach knochenschüttelnder Fahrt erreichten die drei Fahrzeuge einen Bach, einen kleinen Zufluß zum Mara-Fluß. Nachdem Derry eine Gruppe gelbstämmiger Akazien entdeckt hatte, die ihnen als Freilicht-Krankenhaus dienen konnte, stellten sie die drei Autos in einem Kreis um die Bäume und schlugen ihr Lager auf.
    Später aßen sie im Schutz des großen Moskitonetzes vor dem Zelt ihr Abendessen, das aus Wels, den Kamante im Bach gefangen hatte, gekochten Kartoffeln und einer würzigen Soße bestand.
    »Morgen werden die ersten Patienten kommen«, bemerkte Derry. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich, die langen Beine ausgestreckt, in seinem Klappsessel zurück. »In diesem Teil des Landes leben die Massai weit verstreut, aber sie haben ihr eigenes Kommunikationssystem. Ich bin sicher, wir werden morgen gleich in aller Frühe eine Menge zu tun bekommen.«
    Sondra trank aus ihrer Blechtasse einen Schluck Kaffee, während sie zu {207} sah, wie Kamante das offene Lagerfeuer löschte. Pastor Thorn schlief bereits selig unter dem Moskitonetz, das von einem Ast des Baumes herabhing. Auf der anderen Seite der kleinen Wagenburg stand das Zelt, das bei Tag als Ambulanz dienen und bei Nacht Sondras Schlafzimmer sein sollte. Derry würde im Küchen- und Vorratszelt schlafen, während die beiden Fahrer draußen unter den Bäumen nächtigten.
    Sie lauschte in die tiefe Stille hinein, an die sie sich längst gewöhnt, ja, die sie lieben gelernt hatte.
    »Was ist das für ein Geräusch?« fragte sie.
    Derry lauschte einen Moment. »Das ist der Ruf des Honigkuckucks. Das ist ein niedlicher kleiner Vogel, der leidenschaftlich gern Honig frißt. Nur ist sein Schnabel so zerbrechlich, daß er den Honig nicht selber aus den Waben picken kann. Darum ruft er um Hilfe. Manchmal hilft der Honigdachs, manchmal hilft der Mensch. Man braucht dem Honigkuckuck nur zu folgen. Er führt einen zum Stock. Da nimmt man sich so viel Honig, wie man haben will, und läßt ihm den Rest.«
    »Wie praktisch«, meinte Sondra lächelnd.
    Derry zog tief an seiner Zigarette und blies langsam den Rauch in die Luft.
    »Ja«, sagte er, »das war einmal. Jetzt, wo der Mensch Bonbons und Schokolade hat, um seinen Appetit auf Süßigkeiten zu stillen, braucht er den Honig nicht mehr. Jetzt ruft der Honigkuckuck umsonst.«
    Sondra verspürte eine leichte Trauer; Trauer um den Honigkuckuck, der nun vergeblich rief, Trauer um ein vergangenes Afrika und um die verlorene Kindheit eines Mannes.
    »Ich hoffe der alte Seronei kommt«, sagte Derry, das Thema wechselnd. »Das ist ein Massai, der viele Legenden wert wäre. Einen edleren und

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