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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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jetzt richtig anhatte, trug Gummistiefel und einen dicken Pullover. Seit Rachel in die Vorschule gekommen war, zogen sich die Zwillinge auch jeden Morgen fein an. Während sie sich ihre ›Schulkleidung‹ zusammenstellten, schwatzten sie über ihre imaginäre Lehrerin, Miss Pennies, und marschierten dann mit Rachel zum Schulbus hinaus. Ruth packte ihnen sogar Pausenbrote ein, die sie wieder mit ins Haus brachten, wenn der gelbe Bus um die Ecke verschwunden war. Mit ihren Broten setzten sie sich vor den Fernsehapparat und sahen sich ›Sesamstraße‹ an, und später zogen sie die feinen Kleider, die sie insgeheim gar nicht mochten, wieder aus, schlüpften in Jeans und T-Shirts und spielten vergnügt, bis Rachel wieder nach Hause kam.
    Meine kleinen Engel, nannte Mrs. Colodny, die Babysitterin, sie. Aber Ruth wußte es besser. Ihre kleinen Mädchen konnten wahre Unholde sein, wenn sie es darauf anlegten.
    Beth erschien an der Tür, immer noch scheu und zaghaft, obwohl sie nun schon seit drei Monaten bei den Roths lebte, stets darauf bedacht, zu gefallen, nur ja nichts falsch zu machen. Wie ein Hund, der zu oft geschlagen worden ist, dachte Ruth, während die drei Mädchen um einen Platz auf ihrem Schoß kämpften.
    Ruth und Arnie wußten sehr wenig über das Mädchen; im Grunde nur, daß sie fünfzehn Jahre alt war, von zu Hause fortgelaufen und schwanger war. Sie hatte an einer Straßenecke in Seattle gestanden und gebettelt, als Ruth auf sie aufmerksam geworden war. Der verschreckte Blick der großen Augen, das magere Gesichtchen und die dünnen Arme hatten sie angerührt, und sie war stehengeblieben, um sich das Mädchen näher anzusehen. Von der Schwangerschaft war damals noch nichts zu sehen gewesen. Die hatte Beth erst gestanden, als Ruth sie mit nach Hause genommen und ihr erst einmal einen großen Teller mit Hackbraten und Kartoffelpüree vorgesetzt hatte. Eine Zeitlang hatten Ruth und Arnie sie davon zu überzeugen versucht, daß es besser für sie wäre, nach Hause zurückzukehren. Sie hatte ihr vor Augen gehalten, wie besorgt ihre El {223} tern um sie sein mußten. Aber Beth hatte sich mit solcher Entschlossenheit geweigert und mehrmals versichert, daß sie dann sofort wieder durchbrennen würde, daß Ruth eine Vorstellung davon bekommen hatte, was sie dort durchgemacht haben mußte.
    Die Behörden waren keine Hilfe gewesen. »Nach Seattle kommen jedes Jahr Tausende von Jugendlichen, die von zu Haus durchgebrannt sind, Mrs. Roth. Und an Heimen sind wir genauso knapp. Meistens brennen sie sowieso wieder durch, wenn wir sie in ein Heim stecken. Fünfzehn ist zu alt. Im Moment konzentrieren wir uns auf elf und darunter.«
    Daraufhin hatte Ruth ihr erlaubt zu bleiben.
    »Soll ich heute den Braten machen, Mrs. Roth?«
    »Ja, das wäre schön, Beth. Und dazu neue Kartoffeln und Möhren. Und Soße natürlich, so richtig würzig, wie mein Mann sie mag.«
    Es war ein glücklicher Zufall, daß Beth eine hervorragende Köchin war. Ihr Talent, aus bescheidenen Zutaten eine wohlschmeckende Mahlzeit zu bereiten und in Mengen zu kochen, die für ein ganzes Regiment ausgereicht hätten, verriet einiges über das ärmliche, von harter Arbeit geprägte Leben, aus dem sie zweifellos geflohen war.
    »Ich schrubbe heute die Badezimmer, Mrs. Roth.«
    Ruth lächelte sanft. »Streng dich nur nicht zu sehr an, Kind. Denk an das Baby. In zwei Monaten ist es soweit.«
    »Ja, Mrs. Roth.«
    Und dann? dachte Ruth, während Beth zum Spülbecken ging und es mit heißem Wasser vollaufen ließ. Was tun wir, wenn das Baby da ist?
    Aber die Frage stand im Augenblick nicht im Vordergrund. Ruths ganze Sorge galt gerade jetzt ihrem eigenen ungeborenen Kind.
    »So, Dr. Shapiro, legen Sie sich jetzt hin und lassen Sie ganz locker …«
    Sie breiteten ihr ein Tuch über die Beine, um die peinliche Kürze des Anstaltskittels wettzumachen, den sie anhatte, und baten sie, während sie unter dem grellen, kalten Licht lag, sich zu entspannen.
    Wie sollte sie das machen? Wie hätte sie sich unter diesen Umständen entspannen können? Ruth schloß die Augen. Es war ihr nicht gelungen, die aufkommende, altvertraute Depression abzuwehren, die sie seit Tagen hinterhältig bedrängte. Auf der Fahrt über die Insel und dann auf der Fähre nach Seattle hatte sie ein Rückzugsgefecht gegen die Dämonen geführt, die sie peinigten. Das Schlimmste war der Traum. Auf einmal war er wiedergekommen.
    Wann hatte sie den Alptraum das letzte Mal gehabt? Sie konnte sich

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