Herzflimmern
Joan. Ich habe getan, was ich konnte.«
Joan Freeman, seit zwei Jahren verheiratet und zu ihrem Kummer immer noch kinderlos, zerknüllte ein Taschentuch in ihren Händen.
»Können Sie mich nicht künstlich befruchten, Dr. Shapiro? Mit den Spermien meines Mannes?«
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»Die Ergebnisse Ihrer postkoitalen Untersuchungen sind völlig normal, Joan. Mehr als Ihr Mann kann ich auch nicht tun.«
Genau das war das Irritierende an dem Fall. Als Joan Freeman zu ihr gekommen war, hatte Ruth sämtliche Routineuntersuchungen gemacht und wie üblich nach der Krankheitsgeschichte gefragt. Gezeigt hatte sich das Bild einer normalen, gesunden Frau von dreiundzwanzig Jahren. Sie hatte nie eine entzündliche Krankheit des Unterleibs gehabt, keinerlei Unterleibsoperationen, hatte aus religiöser Überzeugung vor der Ehe keine Verhütungsmittel benutzt, war nie schwanger gewesen, nahm derzeit keine Medikamente ein. Ihre Menses kam regelmäßig, die Eierstöcke hatten Normalgröße, die Gebärmutter war in Ordnung. Blutuntersuchungen, Rubin Test, alles normal. Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann mindestens dreimal in der Woche, und Mr. Freemans Spermienzählung war normal.
Warum also konnte die junge Frau nicht empfangen?
Fünf Monate waren seit ihrem ersten Besuch vergangen, und sie waren einer Antwort auf die Frage nicht nähergekommen. Ruth fragte sich jetzt, ob sie eine Laparoskopie vornehmen sollte, um festzustellen, ob Verwachsungen oder eine bisher unentdeckte Endometriose vorlagen. Ruth hielt nichts vom Schneiden, wenn es nicht unbedingt erforderlich war; sie griff nicht gern auf mechanische oder medikamentöse Hilfsmittel zurück.
»Ich kann Ihnen nur empfehlen, zu einem Spezialisten zu gehen.«
»Zu jemand
anderem
?«
»Ich kann nicht mehr für Sie tun, Joan. Wenn Sie den Besuch noch aufschieben wollen, kann ich Ihnen nur raten, es weiterzuversuchen wie bisher. Seien Sie locker, holen Sie die Spontaneität in Ihr Liebesleben zurück …« Sie breitete etwas hilflos die Hände aus.
Patientinnen, die zur Behandlung ihrer Sterilität in die Praxis kamen, klagten häufig darüber, daß mit dem Wunsch, ein Kind zu haben, ihr Sexualleben alle Spontaneität und allen Zauber verloren hätte. Das Paar war so darauf bedacht, zur ›richtigen Zeit‹ das ›Richtige‹ zu tun, daß der Impuls des Augenblicks zu kurz kam. Sie schliefen miteinander, wenn die Temperaturkurve es verlangte, auch wenn sie vielleicht gar keine Lust dazu hatten; durch die wachsende Spannung kam es zu Fällen von Impotenz, die wiederum die seelische Anspannung verstärkten. Das Zusammensein wurde zum mechanischen Akt, in seiner Bestimmung auf die Herstellung eines Produkts reduziert.
Ruth stand vom Sofa auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Nach einigem Kramen unter Heftern und anderen Papieren fand sie die Liste mit den {227} Spezialisten. »Da haben wir sie schon«, sagte sie und drehte sich mit einem aufmunternden Lächeln um. »Er ist in Seattle. Es dürfte keine Schwierigkeit sein –«
»Er?«
Der Blick der Frau sagte alles. Ruth konnte nur die Achseln zucken.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Er ist der einzige, den ich empfehlen kann. Ich habe gehört, daß er sehr gut sein soll.«
Joan Freeman senkte den Kopf. »Und dann geht das Ganze nochmal von vorn los?«
»Ich fürchte ja. Ich schicke ihm natürlich Ihre Karte hinüber, aber er wird sicher eine Reihe der Untersuchungen, die ich gemacht habe, noch einmal vornehmen wollen. Einfach um Sie besser kennenzulernen.«
Schweigen breitete sich zwischen den beiden Frauen aus.
»Ich glaube nicht«, sagte Joan schließlich stockend, »daß mein Mann da mitmacht. Wir können ja kaum
Ihre
Rechnung zahlen, Dr. Shapiro. Und jetzt noch ein neuer Arzt …« Sie hob den Blick. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern weiterhin zu Ihnen kommen.«
Aber ich kann doch nichts mehr tun!
»Also gut, Joan, wenn Sie das wollen. Ich will sehen, ob wir nicht noch etwas anderes versuchen können.«
Ich möchte dir deinen Wunsch erfüllen, so wie ich möchte, daß mir mein Wunsch erfüllt wird. Ich wünsche mir, daß Mary Farnsworth mir sagt, daß mit meinem ungeborenen Kind alles in Ordnung ist.
Zwei Wochen waren seit der Untersuchung verstrichen. In dieser Zeit hatte Ruth eine Veränderung durchgemacht.
Angefangen hatte es an dem Tag nach der Untersuchung, als sie mit Arnie und den Kindern nach Port Angeles zu ihren Eltern zum Abendessen gefahren war. Sie hatte in der Küche gestanden und ihrer
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