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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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offensichtlich in die Küche führte.
    Sondra stand immer noch mit ihren drei Gläsern an der Bar. Der junge Mann lächelte ein wenig verlegen und sagte: »Entschuldigen Sie.«
    »Sie sind gar kein Barkeeper?«
    »Nein.«
    »Und ich hab Ihnen ein Trinkgeld gegeben!«
    »Das kann ich gebrauchen, glauben Sie mir. Sie wissen doch, daß die Assistenzärzte alle am Hungertuch nagen.«
    »Sie sind Arzt?«
    »Rick Parsons.« Über die Theke hinweg bot er ihr die Hand. »Und ich weiß, daß Sie Sondra Mallone sind, eins dreiundsechzig groß.«
    Als Gilhooley mit einer Schüssel voll Zitronenschnitzel zurückkam und sie auf den Tresen stellte, achtete Rick Parsons gar nicht auf ihn. Zitronenschnitzel schienen ihn nicht länger zu interessieren.
    »Und Sie?« sagte er. »Sind Sie Krankenschwester?«
    »Nein, ich studiere hier. Im ersten Jahr.«
    Rick Parsons musterte sie mit wachsendem Interesse. »Tatsächlich?«
    Vom Tisch aus beobachtete Ruth einen Moment lang die Freundin im Gespräch mit dem Fremden. Sie bemerkte das Interesse des Mannes an Sondra und bewunderte die Unbefangenheit, mit der Sondra sich mit ihm unterhielt, als wäre sie schon jahrelang mit ihm bekannt. Ruth hatte, als sie zusammengezogen waren, eigentlich erwartet, daß Sondra massenhaft Verehrer haben und ständig etwas vorhaben würde. Doch es war ganz anders gekommen. Sondra war zwar heftig umschwärmt und zog überall die Aufmerksamkeit der Männer auf sich, doch sie zeigte keinerlei Interesse an Flirts und verstand es, Distanz zu wahren. Ruth fand ihre Gabe, Männer anzuziehen und auf Abstand zu halten, ohne sie zu kränken, bewundernswert. Sie fragte sich, wie sie es fertigbrachte; und warum sie es tat. Nun ja, vielleicht fiel ihr die männliche Bewunderung einfach zu leicht zu; vielleicht fehlte ihr die Herausforderung.
    Ruth legte die Speisekarte aus der Hand und sah Mickey an. »Wie geht’s dir? Alles in Ordnung?«
    »Hm? O ja, mir geht’s gut. Ich muß nur andauernd an heute nachmittag denken.«
    »Geht mir genauso. Als ich noch klein war, hat mein Vater uns oft Geschichten aus seiner Studienzeit erzählt. Manche waren ziemlich scheußlich, kann ich dir sagen.« Ruth legte Messer, Gabel und Löffel in drei genau paralellen Linien auf ihrer Serviette nebeneinander. »Mein {39} Vater hat in seinem Jahrgang das beste Examen gemacht. Unter mehr als hundert Studenten.«
    Mickey nickte, schien aber an dem Gespräch nicht wirklich Anteil zu nehmen, darum schwieg Ruth und schaute sich wieder die Gäste in der Kneipe an.
    Viele waren ihr zumindest vom Sehen bekannt, junge Männer vom College, die Anzug und Krawatte, wie sie auf dem Campus vorgeschrieben waren, gegen Jeans und T-Shirts vertauscht hatten. Eine ganze Reihe von ihnen waren mit Frauen da, von denen die meisten Schwesterntracht trugen, aber es fehlte auch nicht an jungen Mädchen aus den Nachbarorten, die auf einen Flirt mit einem angehenden Arzt hofften. Es war eine heitere, lebhafte Menge, aus deren Mitte immer wieder ausgelassenes Gelächter erschallte, aber jetzt, wo Ruth Ruhe hatte, die einzelnen Gesichter genauer zu studieren, konnte sie erkennen, daß bei vielen die Fröhlichkeit nur Maske war. Dahinter verbarg sich die nervöse Angst, die viele der Studienanfänger nach diesem ersten Nachmittag im Labor gepackt hatte.
    Ruth kannte sie nur allzu gut, diese Angst. Ganz gleich, wieviel sie lernte, wie genau sie während der Vorlesungen mitschrieb, wie gewissenhaft sie las und studierte, sie hatte ständig das Gefühl nicht genug zu tun. Während ihre Freundinnen sich Zeit für andere Dinge nahmen – Mickey besuchte an den Wochenenden ihre Mutter im Pflegeheim, Sondra machte stundenlange Spaziergänge am Meer –, meinte Ruth, sich solchen Luxus nicht erlauben zu können. Aber die beiden anderen wurden nicht vom gleichen Ehrgeiz getrieben wie sie. Mickey hatte einmal erklärt, ihr genüge es, wenn sie sich im oberen Drittel des Jahrgangs halten könne. Ruth war das unverständlich. Warum an einem Wettkampf teilnehmen, wenn man nicht die Erste werden wollte?
    Überall war die Spannung spürbar. Der Dekan hatte sie nach seinem erhebenden Vortrag der Eidesformel schnell wieder auf die Erde zurückgeholt. »Wenn Sie hart arbeiten«, hatte er gesagt, »werden Sie es schaffen. Diejenigen, die glauben, Sie könnten es mit links schaffen, werden scheitern. Wir hätten natürlich liebend gern eine Erfolgsrate von hundert Prozent, aber die Erfahrung spricht dagegen, daß wir die je erreichen

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