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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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noch einmal um. Der Blick der großen dunklen Augen folgte ihr.
    {66}
    Kaum standen sie wieder im Flur, kam aus dem Raum, den sie gerade verlassen hatten, wieder ein jammervoller Schrei. »Hm, da sind wir gerade rechtzeitig gegangen«, meinte Dr. Mandell lächelnd.
    »Tut mir leid«, sagte Dr. Mandell, »hier darf immer nur einer hinein. Kommen Sie, Mr. Wheeler, Sie können den Anfang machen.«
    Ruth sah ihnen nach, als sie im Entbindungsraum verschwanden, und hörte eine Frau sagen: »Meinetwegen, wenn er nur nicht ohnmächtig wird.« Dann trat sie zu der Tür des nächsten Raumes und spähte dort wieder durch das kleine Fenster.
    Über die Schultern des Arztes hinweg konnte sie die Gebärende sehen und beobachten, wie der Scheitel des kleinen Köpfchens ans Licht drängte und dann wieder verschwand, als wäre das Kind noch nicht bereit, sich in die Welt zu wagen. Jedesmal, wenn der kleine Kopf vordrang, schrie die Frau laut auf. Ruth hörte, wie der Arzt sagte: »Herrgott, geben Sie ihr nochmal was von dem Epidural.«
    Sie glaubte, die Frau protestieren zu hören, aber wenig später wurde sie still, und auch die Wehen ließen nach. »Pressen Sie!« rief der Arzt, dessen gekrümmter Rücken schweißnaß war. »Los, pressen Sie!«
    Die Frau versuchte es offensichtlich, aber der Erfolg war gering. Durch das Narkotikum war ihre Muskelkontrolle stark reduziert.
    Schließlich griff der Arzt zur Zange, und nun endlich kam das Kind, fiel direkt in die keimfreien Hände des Assistenten.
    Sie ging von der Tür weg die Wand entlang und dachte bei sich, irgendwie übersteh ich das schon, als die Flügeltür am Ende des Korridors aufgestoßen wurde und zwei Männer in weißen Kitteln mit einer Trage hereineilten. Augenblicklich erschienen mehrere grüngekleidete Schwestern und Ärzte, übernahmen die Trage von den Sanitätern, nahmen der hochschwangeren Frau, die darauf lag, die Decke vom Körper, schimpften, daß die Karte nicht vollständig sei, schimpften auf das Team in der Notaufnahme, bis jemand laut rief: »Mensch, beeilt euch, wir müssen das Kind da rausholen!« Daraufhin schoben sie die Trage hastig in den Entbindungsraum.
    Ehe die Tür sich hinter ihnen schloß, sah Ruth flüchtig das bleiche Gesicht Mark Wheelers, der dicht an die Wand gepreßt stand. Von Dr. Mandell war keine Spur zu sehen. Er war vermutlich zum Rest der Praktikumsgruppe zurückgekehrt, die sich augenblicklich in der Pathologie befand. Ruth wünschte aus tiefstem Herzen, sie könnte jetzt auch dort sein.
    Ein jämmerlicher Schrei aus dem ersten Entbindungszimmer lenkte sie von ihren eigenen Kümmernissen ab. Sie lief den Flur entlang bis zur {67} Tür, stieß sie auf und schaute hinein. Das Mädchen namens Lenore, blaß und mager, höchstens fünfzehn Jahre alt, blickte ihr voller Angst entgegen.
    »Bitte helfen Sie mir«, sagte sie.
    Ruth trat zu ihr ans Bett. Lenore lag halb aufgerichtet in feuchten Kissen, die mageren Hände schützend auf ihrem geschwollenen Leib. Über den Beinen hatte sie eine Decke. Einer ihrer dünnen Arme war mit Klebeband auf ein starres Brett gebunden; im Unterarm steckte die Kanüle des Tropfs. Um den Oberarm auf der anderen Seite lag die Blutdruckmanschette. Auf dem Nachttisch lagen zwei verschiedene Stethoskope, ein flacher Karton mit Gummihandschuhen, eine kleine Taschenlampe und ein Thermometer.
    Als sie sich wieder Lenore zuwandte, sah sie die stumme Bitte auf dem ängstlichen Gesicht; das Mädchen wollte wissen, wer sie war, wagte aber nicht zu fragen. Stellen Sie sich immer als ›Doktor‹ vor, hatte Dr. Mandell gesagt. Das flößt den Patienten Vertrauen ein.
    »Hallo, ich bin Dr. Shapiro.«
    Als sie die Erleichterung in dem blassen Gesicht sah, kam sie sich vor wie eine Betrügerin. Bitte verlaß dich jetzt nicht auf mich; ich hab nicht die blasseste Ahnung, was los ist.
    »Ich hab Angst«, flüsterte das Mädchen.
    »Natürlich«, sagte Ruth und tätschelte ihr die Schulter. »Das ist ganz verständlich. Es ist wohl Ihr erstes Kind?« Dumme Frage!
    »Ja.« Lenore sah zu ihrem Bauch hinunter und schien noch etwas sagen zu wollen. Aber sie blieb stumm.
    »Sind Sie ganz allein?« fragte Ruth behutsam.
    Lenore hob den Kopf. »Ja. Ich hab keinen Menschen. Mein Freund ist einfach abgehauen, als ich ihm sagte, daß ich ein Kind krieg. Ich glaub, er ist jetzt oben in San Francisco. Wir haben in einer Wohngemeinschaft gewohnt, wissen Sie, aber Frank und ich, wir waren ein Paar. Ich hab nie was mit einem anderen

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