Herzgefaengnis
lachte Nick lauthals.
„Ich hab gar nicht mit ihm geflirtet. Ehrlich nicht. Wir haben nur ein bisschen Händchen gehalten …“, äffte sie mich nach. „Wer soll dir denn das glauben? Ich jedenfalls nicht!“
„Nick, es ist nicht so, wie es von außen aussieht. Pawel – also ich meine Dr. Krawczyk …“
„Oh, jetzt nennen wir ihn schon beim Vornamen. Das wird ja immer besser. Bist du sicher, dass du das Leo erklären kannst?“
„Nein. Wenn du mir schon nicht glaubst, wie soll es dann Leo oder irgendjemand anders glauben“, entgegnete ich patzig. Nick seufzte.
„Mensch Sabina. Ich will dir doch nur helfen, eine bessere Ausrede zu finden.“
„Ich brauche keine Ausrede, verdammt. Lern ihn kennen, dann wirst du es wissen.“
„Also gut“, sagte sie friedfertig. „Ich will mich nicht streiten. Also mir geht es gut. Morgen ist Termin. Mal gucken, ob Annick sich auch dran hält.“ Annick, so wollten sie ihre Tochter nennen.
„Schöner Name. Und wenn es ein Junge wird? Heißt er dann Yannick?“
Nick lachte. „Nee, das klingt mir zu – ich weiß nicht. Vielleicht nennen wir ihn dann Loic. Das ist auch bretonisch, weißt du. Wenn es noch nicht losgeht morgen, dann komm doch her. Unsere neue Wohnung wird dir gefallen. Wir haben schon fast alle Kartons ausgepackt. Das Kinderzimmer ist jedenfalls fertig.“ Aus dem Hintergrund hörte man, wie Cedric übte. Komplizierte Läufe auf und ab.
„Heute bin ich erst mal bei meinen Eltern.“
„Komm´ einfach, wann es dir passt. Wenn keiner aufmacht, sind wir in der Klinik. Und dass du mir diesmal ja ein Foto von Leo mitbringst!“
Ich versprach es.
Bevor ich losfuhr zu meinen Eltern, versuchte ich noch einmal, Leo zu erreichen. Wieder vergeblich. Diesmal sprach ich aber doch auf seine Mailbox:
„Hallo Leo. Ich bin´s. Sabina. Nicht dass du denkst, ich rufe nur an, um deine Stimme auf der Mailbox zu hören. Ich will dich wirklich sprechen. Bitte ruf´ mich doch an. Ich erklär´ dir auch alles. Bitte lass mich dein Leben wieder farbig machen. Und mach dasselbe mit meinem. Bitte.“
Das reicht. Halt jetzt bloß die Klappe , meckerte mein Stolz. Er weiß, dass du seinen Brief gelesen hast. Und du hast noch nicht mal eine Ahnung, ob er deinen überhaupt bekommen hat.
Ich legte auf. Hoffentlich klang es nicht so weinerlich. Na ja. Jetzt war es nicht mehr zu ändern.
Mein Vater umarmte mich stumm. Er tat einen tiefen Seufzer, der aus seinem Innersten zu kommen schien. So leise, dass meine Mutter es nicht hörte. Ich drückte ihn so fest ich konnte. Mama hielt einfach nur meine Hände und zog mich in die Küche, an unseren Tisch. „Komm. Ich habe Coq au vin gemacht. Das isst du doch so gerne.“ Ihre Augen schimmerten verdächtig. Aber das konnte auch eine Reflexion ihrer modischen Brille sein.
„Danke.“ Mehr fiel mir nicht ein. Ich wurde auf meinen Stuhl gedrückt. Max kam herein und zwinkerte mir zu. Er drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe und schaute ein wenig verlegen drein.
Die Befangenheit lastete auf uns während des ganzen Essens. Stumm schaufelten wir köstliches Hähnchenfleisch zusammen mit Speckstückchen und Champignons in uns hinein. Nur ab und zu sagte jemand so etwas wie „Mmh“ oder „Übelst lecker“. Sie wagten nicht, Fragen zu stellen.
Als Dessert gab es Erdbeeren. Danach erhob sich mein Vater schweigend und verließ die Küche. Wir anderen sahen uns konsterniert an. Doch da kam er schon, ein Tablett mit vier Schnapsgläsern balancierend. Jedes reichlich gefüllt mit seinem besten Cognac. Die Sorte, die er vor Mama versteckte, damit sie ihn nicht zum Flambieren benutzte.
„Ich glaube, heute hilft nur noch Alkohol“, erklärte er mit einem schiefen Lächeln. „Lasst uns anstoßen auf die Freiheit.“ Wir prosteten uns zu. Wärme und ein leichtes Brennen breiteten sich in meiner Kehle aus. Ich schmeckte Weintraubenschalen und ein wenig vom Eichenholzfass, in dem der Schnaps gereift sein musste.
„Jo, das war eine deiner besten Ideen“, bemerkte meine Mutter, als sie das Glas absetzte. Er nickte.
„Ich weiß. Hoffentlich hast du das Huhn mit der anderen Sorte gemacht.“ Besorgt schaute er in Richtung seines Arbeitszimmers, als verberge sich dort ein Schnapsdieb. Mama schmunzelte.
„Aber natürlich, mein Schatz.“ Mein Vater tat, als runzelte er die Stirn, während Mama eine unschuldige Miene aufsetzte. Max grinste verstohlen.
Das Eis war gebrochen.
Ich erzählte ihnen von Heimke, von der
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