Herzgefaengnis
Laune. Und um Gottes willen nicht Leo König.“
Mit einem Arztbrief in der Hand verließ ich am Nachmittag die Praxis, entschlossen, ab jetzt vierzehn Tage lang so viel zu pauken, dass ich am Ende mit einem echten Prädikatsexamen dastand.
„Danke Pawel. Das war wirklich eine geniale Idee!“ Mit diesen Worten begrüßte ich meinen Verteidiger, als ich zwei Tage später in seiner Kanzlei stand.
Es war mir gelungen, meinen Examenstermin zu verschieben.
Seine Sekretärin, eine junge Blondine mit Bubikopf und Wimpern, die wie angeklebt aussahen, hatte mich mit einem Lächeln in sein Büro hineingelassen. „Der Doktor wartet schon auf Sie“, hatte sie gehaucht und sich dann augenzwinkernd davongemacht.
Er erhob sich hinter seinem Schreibtisch, der aussah, als stünde er in einer Möbelausstellung: Keinerlei Aktenberge verunzierten die Tischplatte aus dunklem Massivholz. Anders, als ich es von meinen diversen Ausbildern in der Referendarzeit gewohnt war. Da lag nur eine einzige Akte. Die, die ich schon kannte. Die mit den vielen Fähnchen und Eselsohren, die er bewusst da ausgefaltet hatte.
Sein Sakko hing über der Stuhllehne. Er selbst hatte die Krawatte abgelegt und zwei Knöpfe seines schneeweißen Hemdes geöffnet. Ich konnte noch die Falten in dem ordentlich gebügelten Hemd sehen, mit denen es zusammengelegt worden war. Die Manschetten hatte er hochgekrempelt. Sie gaben den Blick auf seine leicht gebräunten Unterarme frei. Auf dem Tisch lagen zwei silberne Manschettenknöpfe, sie teilten sich den Platz mit einem edel aussehenden Füllfederhalter in der Stiftablage.
Zu befangen, um zu ihm zu gehen, blieb ich hinter dem Besucherstuhl stehen. Ich dachte immer noch an unser Telefonat. Und wollte nicht mit dem Feuer spielen. Nicht schon wieder.
Doch er lächelte ein anziehendes Lächeln, eilte um den Tisch herum und breitete seine Arme aus. Wie unkollegial.
„Sabina. Schön, dass Sie hergefunden haben.“
Ich fühlte das Kribbeln seiner männlichen Energie, das von seinen Händen ausging. Die mich nicht loslassen wollten. Ein Blick in seine Augen ließ mich an seinen kollegialen Absichten endgültig zweifeln. Es stand so viel Wärme darin und ein verhaltenes Funkeln, das meinen Atem flacher gehen ließ.
„Pawel …“ Es waren nur wenige Zentimeter, die uns trennten. Und die schmolzen zusammen, als er mich zu sich heranzog. Was ihm keine Mühe machte, denn ich sah keinen Grund, ihm nicht nachzugeben. Dazu roch er viel zu gut. Lächelte viel zu … ja, vielsagend. Hatte viel zu viel für mich getan. Und es fühlte sich gut an. Er wusste es.
Sein Gesicht war jetzt so nah an meinem, dass ich nur noch meinen Kopf wenden musste, um meine Lippen auf seine zu drücken. Und ich tat es. Zögernd, denn eigentlich war es nicht richtig. Doch ich konnte nicht anders. Es war logisch.
Sein Mund war fest und weich zugleich. Er reagierte sofort. Seine Lippen forderten sanft Einlass, und ich gestattete ihm bedenkenlos, seine Zunge in meinen Mund zu schieben und mich behutsam und gleichzeitig fordernd zu liebkosen. Ich war überrascht, wie gut er küsste. Doch ich hätte es wissen müssen. Längst hatte er meine Hand losgelassen und mich an sich gezogen. Auch das vorsichtig, fast zurückhaltend. Als wolle er testen, ob ich mich dagegen wehre. Doch ich tat es nicht. Seine Hände entfachten ein kleines Feuerwerk auf meiner Wirbelsäule. Ich erschauerte. In diesem Moment ließ er von mir ab.
„Das war das erste wirklich vernünftige Dankeschön, das ich je von einer Mandantin bekommen habe“, sagte er leise. Ein verschmitztes Lächeln erschien auf seinem Gesicht und ließ seine Augen strahlen. Ich wusste nichts zu sagen. Ausnahmsweise fehlten mir die Worte.
„Wie kann ich Ihnen mehr Anlass geben, mir so zu danken?“ Seine Stimme klang atemlos und ein ganz klein wenig spöttisch. Er ließ mich nicht los, und ich ließ es mir gefallen. Mein Herz schlug lauter als erlaubt.
„Bitte nicht. Es ist falsch“, hauchte ich. Er lachte leise.
„Ja, das ist es. Für Sie. Aber geben Sie wenigstens zu, dass es sich gut anfühlt.“
Ich nickte. „Ja. Und wie.“
Der Glanz in seinen Augen, die Energie, die seine Hände durch meinen Körper schickten, beeinträchtigten meinen Willen. Ich musste lächeln, obwohl ich mich hätte losreißen müssen. Er nahm das zum Anlass, mich ein weiteres Mal zu küssen. Diesmal mit mehr Druck – und es fühlte sich noch besser an. Er hatte Mut gefasst und drängte sich an mich. Gegen
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