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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
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nieder und nahm meinen Hut ab, von dessen Krempe ein wenig Regenwasser tropfte. Meine Sonnenbrille schob ich mir ins Haar. Ich schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, was er gleich sagen, wie er gleich schauen würde. Wenn er überhaupt käme. Nach dem, was er mir geschrieben hatte, wäre es kein Wunder, wenn ich hier bis Pflaumenpfingsten auf ihn hätte warten müssen.
    Als die Tür des Bootshauses sich schloss und Gummisohlen auf dem glatten Betonboden quietschten, hielt ich den Atem an. Das hörte sich nicht nach Leo an.
    Die Schritte stoppten, und eine sehr jugendliche weibliche Stimme war zu hören: „Leo?“ Das Mädchen hatte langes braunes Haar. Es hing in feuchten Strähnen über ihren Rücken herab und verdeckte die Kapuze ihres Sweatshirts. Ihre langen, schlanken Beine steckten in schwarzen Leggings. Sie mochte vielleicht vierzehn, fünfzehn sein.
    Mit klopfendem Herzen ging ich so leise wie möglich in Deckung.
    Durch eine Seitentür hörte ich jemanden eintreten. „Hallo?“ Das war er.
    „Ja, Leo, hier ... ich bin hier.“ Das Mädchen näherte sich dem Seiteneingang am anderen Ende des Bootshauses. Mein Herzschlag verdoppelte seine Frequenz.
    „Sita? Was machst du denn hier? Ich habe jemand ganz anderen erwartet ...“
    „Oh, äh ...“ Sie schien zu überlegen. „Ach ja, die – die hat mir gesagt, ich soll hier warten und dir Bescheid sagen. Dass sie nicht kommt, meine ich.“
    So ein kleines, raffiniertes Biest!
    Ein kurzes Zögern verriet, dass Leo an dieser Aussage zweifelte. „Dann gehe ich mal wieder“, sagte er.
    „Nein, nein“, rief das Mädchen fast panisch.
    „Was denn noch?“ Das klang ungeduldig.
    „Bitte, kannst du mir nicht ein – ein Autogramm geben?“ Sie kramte in der Tasche ihres Kapuzenpullovers und hielt ihm etwas hin – vermutlich einen Stift. Ich konnte Leo nicht sehen, aber ich hörte den belustigten Ton, in dem er sagte:
    „Sita, ich habe heute leider meine Autogrammkarten nicht dabei. Außerdem bin ich nicht – ähh – Justin Bieber.“
    Ich stellte mir vor, wie er schmunzelte.
    „Justin Bieber ist mir scheißegal. Ich will eins von dir. Verstehst du das?“
    Keine Ahnung, ob er es verstand. Ich konnte es ihr jedenfalls nachfühlen ...
    „Mädel, ich bin ein bisschen zu alt für dich – und ich habe wirklich nichts zum Schreiben dabei.“
    „Dann schreib es mir doch hier rauf.“ Sie deutete auf ihren Oberkörper.
    „Äh, ich glaube, da liegt ein kleines Missverständnis vor. Im Allgemeinen pflege ich keine Mädchen von Hand zu signieren.“ Jetzt musste sie kichern.
    „Auch nicht, wenn ich es bin?“
    „Nein.“
    „Leo. Bitte.“ Ihre Stimme nahm einen flehenden Klang an. Sie machte ein paar Schritte von mir weg, auf ihn zu. Ich schlich gebückt etwas näher, um zu sehen, was geschah. „Du – du magst mich doch – das weiß ich.“
    Mein Puls drohte auszusetzen.
    „Ach Sita. Ja, ich mag dich. So wie ich meine Schwestern mag. Oder Sven. Hör mal, ich bin ein alter Knacker – könnte dein Vater sein. “
    Sie schnaufte empört. „Quatsch. Du bist gar nicht alt. Du bist genau richtig für mich. Nur 20 Jahre älter. Das ist doch nichts.“
    Ich hörte ihn seufzen. Er trat aus dem Schatten heraus, und ich konnte ihn jetzt endlich sehen. Was meinen Puls keineswegs beruhigte. Im Gegenteil. Er sah zum Anbeißen aus, und ich konnte das Mädchen bestens verstehen.
    Er beugte seinen Kopf zu ihr herunter und deutete auf seine Schläfen.
    „Hier –siehst du? Meine Haare werden schon weiß. Aua! Lass das!“ Sita hatte die Gelegenheit im wahrsten Sinne beim Schopf gegriffen und ihm ein Haar ausgerissen. Sie grinste keck.
    „So, Leo, das war das einzige weiße Haar, das ich finden konnte. Jetzt ist es weg. Du bist wieder jung. Jung genug für mich.“
    Er schüttelte den Kopf und schickte einen hilfesuchenden Blick gen Himmel.
    Dann nahm er sie bei den Oberarmen und schaute ihr in die Augen. „Sita, die Sache hat einen gewaltigen Haken. Mein Herz gehört schon jemand anderem. Ganz und gar. Kannst du das verstehen?“
    Sie senkte den Kopf. „Du könntest doch an jedem Finger eine haben“, versetzte sie. „Kann ich nicht eine davon sein?“
    Er ließ sie los, machte einen Schritt zurück und sah auf einmal ganz melancholisch aus.
    „Ach Kind, nur weil ich das vielleicht könnte, will ich es doch lange noch nicht. Weißt du, wenn man jemanden wirklich, wirklich gern hat, dann … dann will man nicht noch hier und da ein Mädchen nebenbei. So

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