Herzgefaengnis
ist das. Jedenfalls bei mir. Und du möchtest doch auch lieber die Nummer eins bei jemandem sein, als die vom linken Ringfinger, oder?“
„Aber es kann dir doch nichts ausmachen, mir deinen Namen irgendwo hin zu schreiben“, flüsterte sie.
„Hey, du willst damit vor deinen Freunden angeben.“ Seine Stimme wurde streng. „Ist dir eigentlich klar, welchen Ärger das gibt? Für mich? Und was soll die Person denken, die ich – ähh – der mein Herz gehört? Findest du das fair?“
„Wieso Ärger?“
„Denk mal nach. Du bist ja nicht doof. Wie sieht das aus – mein Schriftzug auf deiner Brust? Na? Was würdest du denken, wenn deine Freundin so herumläuft? Ich darf das noch nicht mal, was du von mir verlangst. Das ist …“, er überlegte kurz. „Man würde denken, ich mache mich an äh … kleine Mädchen ran. Willst du mich hinter Gitter bringen?“
Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Ich BIN kein kleines Mädchen. Ich bin erwachsen. Und außerdem ... Du brauchst es ja nicht zu machen. Ich kann das auch so herumerzählen.“ Mit diesen Worten streifte sie ihren Kapuzenpulli ab, und Leo zuckte zurück, als hielte sie ihm eine Waffe vor.
„Sita. Lass´ doch diesen Quatsch.“
Unter ihrem Pullover kam ein ärmelloses, knallrotes Vereinstrikot zum Vorschein. Sie griff an den Ausschnitt.
„Schreib es hier hin“, verlangte sie. „Sonst ...“
Leo begann zu lachen. „Sita, Sita, du guckst zu viel Serien. Echt jetzt. Bitte geh´ und frag Sven oder Olli, ob sie dir den Gefallen tun. Die sind im richtigen Alter. Ich nicht.“
Sie begann, am Ausschnitt ihres Trikots zu reißen, und Leos Augen weiteten sich.
„Oh, Entschuldigung ...“ Es war Zeit, ihm zu Hilfe zu kommen. Ich trat aus meinem Versteck hervor.
„Leo, ihr müsstet da wirklich mal was machen. Guck dir das an.“ Ich hatte den Ärmel meines Pullovers mit einem Ruck eingerissen.
„Hier steht ein verdammt langer Nagel ´raus. Da zerreißt es einem glatt die Klamotten. Lass´ mal sehen.“ Ich ging auf das Mädchen zu, das sich mir verblüfft und mit offenem Mund zuwandte. Ich starrte auf ihr Dekolleté und versuchte, Leos irritierten Blick zu ignorieren. Ihr Shirt hatte einen beachtlichen Riss. Darunter war ein hellblauer BH mit weißen Punkten zu sehen. „Oh, das sieht ja übel aus. Leo, wie viele Menschen haben sich an diesem Scheißnagel schon die Kleider aufgerissen?“ Ich deutete auf meinen Ärmel und schaute direkt in seine Augen.
Er belohnte meinen Einsatz mit einem anerkennenden Blick und einem Funkeln seiner Goldpünktchenaugen.
„Oh, ja, das. Ja, ich habe schon den Hausmeister angesprochen. Er kommt nachher. Im Moment hat er zu tun.“ Seine Mundwinkel zuckten, doch es gelang ihm, ernst zu bleiben.
Unsere Blicke wandten sich dem Mädchen zu, dessen Gesichtsausdruck Verwirrung und Ärger widerspiegelte. Ich hob den Kapuzenpulli auf, der hinter ihr zu Boden gefallen war, und legte ihn ihr um die Schultern. „Hier, es ist doch ein wenig frisch draußen. Zieh´ das lieber an, sonst sieht es komisch aus mit diesem Riss da drin.“
Sie schüttelte mich trotzig ab, zog aber den Pulli über. Ich legte den Finger auf den Mund.
„Übrigens, Leo und ich halten dicht – wenn du es auch tust.“
„Was meinen Sie damit?“
„Du weißt schon – die Kippen da hinten und – und überhaupt alles.“ Das war geraten, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass sie es war, die dort hinten mit ihren Freundinnen heimlich rauchte. Ich zwinkerte ihr zu, als wisse ich unser Geheimnis zu bewahren.
Zum ersten Mal trat ein schuldbewusster Ausdruck in ihre großen braunen Augen.
„Ich sehe, wir verstehen uns“, fuhr ich fort. „Um den Nagel kümmern wir uns dann, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Das könnte ganz schön Ärger geben ... Ach ja, und den Ascher nehme ich auch gleich mit. Muss ja keiner wissen, dass hier in diesem Holzhaus geraucht wurde.“
„Sita, geh´ jetzt lieber“, ergänzte Leo mit sanfter Stimme. „Und wenn du mir dein Schulheft mitbringst, dann kriegst du auch dein Autogramm.“ Er zwinkerte ihr zu. Dann schob er sie an den Schultern langsam, aber unerbittlich durch die Seitentür, die hinter ihr sorgfältig abschloss.
„Hier sollte sowieso immer abgeschlossen sein“, bemerkte er mehr zu sich selbst.
Als er sich ganz zu mir umwandte, wollten meine Knie doch noch nachgeben. Ich griff mit der Linken nach einem Boot und stützte mich daran ab. Nur zur Sicherheit. Meine Atemnot wurde dadurch aber
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