Herzgefaengnis
eine junge, gut aussehende Frau. Gebildet und intelligent. Konnte mir das auch passieren? Könnte ein bloßes Gefühl in jedem Menschen solche Verheerungen anrichten?
„Dann verstehe ich nicht, weshalb du mich mit toten Mäusen traktierst. Mal ganz abgesehen von meinem Auto. Das ist doch“, ich machte eine verrückte Wischbewegung vor meinem Gesicht, „so etwas von gaga.“
Ihr Blick wurde starr. Ihre Pupillen verengten sich. Die Tränen waren versiegt. „Ich zeig dir gleich, was gaga ist!“Mit diesen Worten griff sie in die Gesäßtasche ihrer Jeans. Mit etwas metallisch Blitzendem stach sie nach mir. Ich machte einen Schritt zurück.
„Heimke!“
Die Bewegung ihrer Hand ging in die Luft. Die nächste würde zwischen meine Rippen treffen. All meine Kraft und meinen Mut zusammennehmend, stieß ich sie so heftig, wie ich konnte, zurück. Sie taumelte, fing sich aber. Versuchte ein weiteres Mal, nach mir zu stechen. Diesmal schaffte ich es, sie zu Boden zu stoßen. Das Messer war ihr aus der Hand gefallen. Ich kickte es mit dem Fuß außerhalb ihrer Reichweite.
Sie lag da, regte sich nicht, und ich fühlte ein heftiges Kribbeln auf meinen Handrücken. Genauso wie auf der Autobahn, wenn du bei 180 überholst und der Wagen neben dir plötzlich ausschert.
„Heimke?“
Sie reagierte nicht. Ihre Augen waren geschlossen. An ihrem Hinterkopf war ein kleines Rinnsal von Blut zu erkennen. Scheiße! Was jetzt?
Ich trat einen Schritt zurück, um mein Handy aus der Tasche zu ziehen, ohne dass sie nach mir greifen konnte. Aber es war nicht da. In keiner meiner Taschen. Ich musste es oben liegen gelassen haben. So ein Mist. Mein Herz schlug bis zum Hals.
Ich rannte über die Straße und schloss in aller Eile meine Haustür auf. Rannte nach oben. Fast wäre der Schlüssel in der Wohnungstür abgebrochen. Das Telefon lag auf dem Couchtisch. Hatte es noch genug Saft? Ich wählte 112. Meine Hände zitterten.
„Feuerwehr-Notruf.“
Ich versuchte, so präzise wie möglich zu schildern, was geschehen war. Doch ich stotterte, verhaspelte mich. „Bitte, sie ist bewusstlos. Kommen Sie schnell!“ Oh Scheiße. Mehr Herzschlag ging nicht.
„Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir kommen in 5 Minuten.“
Ich lief nach unten, überquerte die Straße. Wie ging es ihr? War sie zu Bewusstsein gekommen?
Sie sah genau so aus, wie ich sie gerade verlassen hatte. Nur - jetzt steckte ein Messer bis zum Heft in ihrer Brust. Nicht das Klappmesser, das sie eben in der Hand gehabt hatte. Das hier war deutlich größer. Blut hatte sich auf ihrem Oberkörper ausgebreitet und tropfte langsam auf den Bürgersteig. Ihre Haut war nicht mehr sonnengebräunt, sondern von absonderlicher Blässe.
Das Letzte, was ich mitbekam, war mein Gedanke: Jetzt ist sie auch noch tot.
Kapitel 12
Ich erwachte, als ein Mann mit randloser Brille sich über mich beugte. Er trug eine Art Regenjacke. In Schrillorange. „Hallo. Hören Sie mich?“ Zweifellos. War ja nicht zu überhören. Der Bürgersteig drückte schmerzhaft auf mein Steißbein. Mein Hinterkopf schien ein einziges Feuerwerk zu sein. Pausenlos feurige Explosionen, die in mein Gehirn krachten. Der Brillenträger betrachtete meine Pupillen mit einer kleinen Taschenlampe. Dann wandte er sich um und dirigierte einige Helfer zu sich.
„Nehmt sie mit. Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma. Der anderen ist sowieso nicht mehr zu helfen.“ Halloo. Merkte er denn nicht, dass ich alles hörte? Alles mitbekam? Was hieß das - der anderen ist sowieso nicht mehr zu helfen?
Zwei kräftige Männer hoben mich auf eine Trage, schnallten mich fest. Mit einem Ruck beförderten sie mich einen Meter höher. Grelles Licht im Rettungswagen. Aua. Der Bebrillte saß neben mir, fühlte meinen Puls. „Wir bringen Sie ins Krankenhaus. Sie haben eine Gehirnerschütterung.“
War das Watte, die er vor dem Mund - oder ich vor den Ohren hatte? Hatte mir jemand Ohrstöpsel verpasst?
Das Motorengeräusch des Krankenwagens verebbte. Weiß gestrichene Gänge, bordeauxrote Türen. Neonlicht. Darum herum nichts als Watte. Wolken. Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind.
Weiße Kittel, das Quietschen von Gummisohlen. Auf einer Tastatur wurde getippt.
„Commotio cerebri. Platzwunde am Hinterkopf. Bringt sie in den Untersuchungsraum. Danach CT.“
Von ganz weit weg kam diese Stimme. Meinten die mich? Warum?
Sie fragten nach meinem Namen. Den wusste ich. Aber nicht, was passiert war. Keine Ahnung.
Mein Hinterkopf schien
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