Herzgefaengnis
doch was!“
„Ich vertraue dir. Du hast mir die Wahrheit erzählt, da bin ich sicher.“
„Du zögerst so.“
Er seufzte und sein ernster Blick traf mich bis ins Mark.
„Sabina, du kannst dir wahrscheinlich nicht vorstellen, wie schnell Menschen von der einen Seite auf die andere wechseln. Wie ein einzelner Moment aus ihnen einen Verbrecher machen kann. Aus jedem von uns. Aus mir genauso wie aus dir. Wir können alle schuldig werden.“
Ich ertrug kaum, das zu hören. Warf er mich da gerade mit all seinen Schwerverbrechern in einen Topf? Ich drehte meinen Kopf von ihm weg.
„Du … du traust mir zu …“, flüsterte ich. Ich konnte es nicht aussprechen.
„Nein“, erwiderte er heftig. „Nein, Tesoro , das tue ich nicht. Ich will dir nur klarmachen, welche Erfahrungen wir gemacht haben in diesem Job. Ich will dir klarmachen, dass es andere gibt, die dir so etwas zutrauen könnten. Verstehst du?“ Mit der Rückseite seiner sehnigen Finger streichelte er meine Wange. Sanfter sagte er: „Und selbst wenn sie es dir nicht zutrauen, werden sie doch gegen dich ermitteln.“
Ich sah ihn an. In seinem Blick lag so viel Wärme.
„Und du? Wirst du auch …“
„Nein. Ich bin ja -“, jetzt huschte ein freudloses Lächeln über sein Gesicht. „- befangen.“
Ja, natürlich. So nannte man das. Befangen. Wie hatte er das seinen Vorgesetzten wohl erklärt? „Die Verdächtige ist meine Freundin“? Sagte man das so?
„Und außerdem kenne ich dich jetzt gut genug. Ich weiß, dass du das niemals tun würdest. Aber da ist noch dieser Stoß, den du ihr versetzt hast. Ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass wir untersuchen, ob dieser Stoß auch eine Todesursache gewesen sein könnte.“
Ich setzte mich auf. „Aber Leo, sie hatte ein Messer. Das wäre doch Notwehr.“
Leo seufzte noch einmal. „Ja, mein Schatz. Das wäre es. Doch das bewerten nicht wir. Wir sammeln nur die Tatsachen. Tesoro , du brauchst einen Verteidiger. Einen, der die Rechtslage kennt und laut und deutlich benennt.“
Als er aufstehen wollte, öffnete sich die Tür – und Max stand vor uns. Zögernd kam er näher.
„Oh, du hast schon Besuch“, stotterte er und starrte Leo an. Leos Blicke wanderten von mir zu ihm.
„Leo, das ist mein Bruder Max. Max, das hier ist Leo König. Ich habe dir von ihm erzählt.“
Sie schüttelten einander die Hand und betrachteten sich abwägend. Max ließ ein zögerndes Lächeln los.
„Sie sind das also. Der Adressat der … äh … Maus.“
Leos Mundwinkel zuckten. „Unter anderem – ja“, entgegnete er. Ich lehnte mich in die Kissen zurück. Sie schienen sich sympathisch zu sein. Wenigstens etwas.
„Ich muss jetzt wieder los“, versetzte Leo. „Gut, dass Sie mich ablösen. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn sie jetzt allein ist.“ Er wandte sich zu mir und küsste mich. „Bitte bleib´ zuversichtlich. Ich tue, was ich kann“, flüsterte er. „Bis bald. Gib´ deinem Bruder meine Telefonnummer. Ciao, amore .“
Max und ich sahen ihm nach. Max schüttelte den Kopf. „Noch so ´ne Masche, die ich mir abgucken muss. Ciao, amore .“
„Max, jetzt hör´ aber auf. Das ist keine Masche. Italienisch ist zufällig seine Muttersprache.“
„Oh, du hast dir also einen latin lover geangelt.“ Breites Grinsen. Ich verspürte den heftigen Wunsch, ihm eine zu kleben.
„Guck´ mal hier.“ Er versöhnte mich, indem er einen kleinen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor zauberte. In Gelb, genauso wie der in Leos Küche. Mein Herz wurde schwer bei dem Gedanken.
„Oh danke“, hauchte ich. „Das ist aber süß von dir. Auf dem Gang stehen Vasen.“
Ich musste Max alle Einzelheiten erzählen. Er hatte nur den Anruf der Feuerwehr im Haus unserer Eltern entgegengenommen. Und die hatten ihm bloß verraten, dass ich im Krankenhaus sei. Als ich geendet hatte, war mein Bruder ziemlich blass um die Nase. Vor allem, als er hörte, dass ich zum Kreis der Tatverdächtigen gehörte.
„Das ist doch bescheuert“, meinte er. „Du liegst bewusstlos neben deinem Opfer. Das können die doch nicht ernsthaft glauben.“
„Ich weiß nicht. Vielleicht gibt es so etwas: Der Täter erschrickt über die Folgen seiner Tat und wird ohnmächtig.“ Überzeugend klang das nicht. Zum Glück. Aber es gab offenbar Leute, die das in meinem Fall für möglich hielten. Selbst Leo schloss es nicht von vornherein aus.
„Leo sagt, ich brauche einen Verteidiger.“
„Dein Typ scheint vernünftig zu sein. Ich rufe
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