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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
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ihm stumm, dass sie das regeln werde. Sie wandte sich an mich. „Wen soll ich anrufen?“
    „Rufen Sie Dr. Pawel Krawczyk.“ Das war der einzige Verteidiger, der mir im Moment einfiel. Staatsanwalt Hellenberg, einer meiner Ausbilder während der Referendarzeit, hatte gestöhnt, als er dessen Namen hörte. Keine schlechte Empfehlung für einen Anwalt. Wer den scharfen Hund Hellenberg zum Stöhnen brachte, konnte mir sicher helfen. Und sein Name war bei den Strafjuristen bekannt. Das wusste ich von meinem Vater.
    Dana und Kommissar Helmers wechselten bedeutungsvolle Blicke, als sie diesen Namen hörten.
    „Sind Sie sicher?“, fragte Dana noch einmal nach.
    „Ja, natürlich“, entgegnete ich verständnislos. Was war daran falsch? „Warum fragen Sie?“
    Wieder wechselten die Beamten einen Blick. „Oh, nichts. Er ist der Beste, den Sie kriegen können“, antwortete Dana. „Nur, Leo und er sind ein wenig …“ Sie stieß die Zeigefinger gegeneinander, „so.“ Na und? War ja wohl klar, dass Polizisten und Verteidiger nicht immer gut aufeinander zu sprechen sind.
    Ich zuckte die Achseln. „Bitte rufen Sie ihn trotzdem.“
    Drei Stunden. Genau so lange dauerte es, bis sie den Anwalt erreicht und seine Zusage hatten, dass er gleich kommen würde. Ich durfte in Helmers´ Zimmer bleiben, bekam noch zwei Cappuccinos und Danas „InStyle“ zu lesen. Mein iPad hatten sie sich schon von Leo geben lassen, um Heimkes E-Mails darauf zu studieren. Dana war zwischendurch zu mir gekommen. „Viele Grüße von Leo. Er drückt Ihnen die Daumen. Wenn er nachher fertig ist, wird er sicher zu Ihnen kommen.“
    Sehr tröstlich. Die Vorstellung, dass er gerade kaum zwei Zimmer weiter an einem Schreibtisch wie diesem hier saß, machte mich unruhig. Wann konnte ich ihn sehen?
    Es klopfte genau einmal gegen die Tür. In schnellem, fast stürmischen Schritt betrat ein Mann Mitte dreißig das Zimmer, gefolgt von Dana und Kommissar Helmers. Der Mann war mittelgroß und mittelblond. Ein gut geschnittener Anzug in einem dunklen Grauton ließ ihn trotz kräftiger Statur wohlproportioniert aussehen. In der Hand hatte er eine sehr kleine Notebooktasche, nicht den riesigen Pilotenkoffer, den man bei einem Anwalt erwarten würde. Ohne zu zögern kam er auf mich zu.
    „Frau Jung, nehme ich an?“ Sein Lächeln war weich und anziehend, ganz im Gegensatz zu dem Ruf, der ihm offenbar vorauseilte. Um seinen Mund war ein humorvoller Zug zu erkennen, und seine blauen Augen studierten aufmerksam mein Gesicht. Er strahlte Selbstvertrauen und etwas – ja, etwas Herzliches aus, das mich lächeln ließ. Er reichte mir seine Hand. Sein Händedruck fühlte sich angenehm an. Überraschend angenehm. Fast ein bisschen elektrisierend.
    „Ja.“
    „Krawczyk. Dr. Pawel Krawczyk. Sie haben mich gerufen.“ Sein Lächeln vertiefte sich. Zu den Polizeibeamten gewandt, sagte er: „Geben Sie uns bitte zwanzig Minuten.“
    Beide machten kehrt und ließen Rechtsanwalt Dr. Krawczyk und mich allein. Er nahm ungeniert auf dem Stuhl von Kommissar Helmers Platz und klappte sein Notebook auf. Ein Macbook Air von der kleinen Sorte. Heraus fiel ein Blatt Papier. „Bitte unterschreiben Sie diese Vollmacht, damit ich Akteneinsicht nehmen kann.“ Er reichte mir das Blatt, und ich gehorchte. Er lockerte seine Krawatte, streifte sie über den Kopf und ließ sie in seiner Aktentasche verschwinden. Dann speicherte er meine Personalien in seinem Notebook. „Ich kenne Ihren Vater“, versetzte er. Seine Stimme hatte etwas ganz sanft Rauchiges, das angenehme Vibrationen in meinem Gehörgang hinterließ.
    Nach einem nachdenklichen Blick auf die Nasenbluten-Statuette wandte er sich mir zu.
    „Und nun erzählen Sie mal.“ Er beugte sich vor, als hätte ich ein spannendes Märchen vorzutragen. Als ich zu erzählen begann, legte er mit einer Geste der Konzentration die Hände aneinander, die Daumen nach oben. Seine Fingernägel waren sorgfältig manikürt.
    Er machte sich keinerlei Notizen, sondern verfolgte gebannt meine Schilderung. Kaum eine Zwischenfrage. Ab und zu runzelte er nachdenklich die Stirn. Am Ende schüttelte er den Kopf.
    „Schon merkwürdig. Unbekannter sticht am helllichten Tag auf am Boden Liegende ein. Doch erstaunlich, dass es jeden Tag immer wieder etwas Neues gibt, das mir noch nicht untergekommen ist.“ Er begann, in sein Notebook zu tippen. Zehnfingerschreiben beherrschte er offensichtlich aus dem Effeff. Wahrscheinlich schrieb er schneller als Frau

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