Herzgefaengnis
Strafprozessordnung. „Aber vergessen Sie nicht, dass sie gleich sagen soll, wen sie sich als Verteidiger wünscht. Und bitte nicht mich! Ich komme sonst in einen Gewissenskonflikt, weil ich ihre Zellengenossin verteidige.“
„Wen denn dann? Ich kenne sonst keinen.“
Er grinste.
„Das schmeichelt mir. Aber nehmen Sie einen von denen hier.“ Er nannte mir drei Namen.
„Vielen, vielen Dank.“
Dr. Krawczyk erhob sich, um sich zu verabschieden. Trotz seines Versprechens, unsere Beziehung rein kollegial zu gestalten, dauerte sein Händedruck länger als nötig. Und er fühlte sich besser an als erlaubt. „Sie sind bald frei. Mein Haftprüfungsantrag ist schon fertig hier drin.“ Er klopfte auf seine Aktentasche.
„Ich würde Ihnen gerne ein schönes Wochenende wünschen“, seufzte er zum Abschluss. „Aber ich denke, mit einem kurzen Wochenende ist Ihnen besser gedient.“ Damit hauchte er einen Kuss auf meine Wange. Schüchtern wie ein Schuljunge. Doch das war Absicht, da war ich sicher. Ich schloss die Augen und atmete seinen Duft ein. Irgendein frisches, intensives Rasierwasser, und er selbst. Eine gute Mischung.
„Bitte, Dr. Krawczyk, nicht doch. Sonst ... sonst gewöhne ich mich noch daran“, spielte ich auf unsere letzte Begegnung an.
Er zwinkerte mir zu, als er durch die Tür ging. „Wenn es kollegial ist, dann gewöhnen Sie sich ruhig daran. Und lernen Sie den Antrag auswendig! Ich frage Sie ab.“ Mit einem Grinsen wandte er sich zum Gehen.
Bevor ich mich auf mein Bett zurückzog, um meine Briefe zu lesen, hielt ich Olga meine Mitschrift hin. „Ich habe hier was für dich. Schreib es ab und schicke es ans Amtsgericht. Dann kriegst du jetzt schon einen Verteidiger. Das hat mein Rechtsanwalt gesagt.“
Olga lächelte schüchtern. „Danke, Sabina. Das ist lieb.“
„Aber gib mir den Zettel zurück. Er hat gesagt, ich muss das auswendig hersagen können.“
Ich las meine Briefe, während sie sorgfältig abschrieb, was Dr. Krawczyk mir diktiert hatte.
Vier Umschläge. Endlich. Auf einem Leos ausladende Handschrift. Herzklopfen. Aber ich las zuerst die anderen. Meine Mutter wünschte mir alles Gute. Sie hatte das Bild aus Holland ergattert. Mein Bruder war mit Leo einen trinken gewesen und beglückwünschte mich zu meinem latin lover. Ich kicherte. Dann noch Nick. Sie schrieb:
„ Hallo Sabina,
was machst Du bloß für Sachen. Ich habe vorzeitige Wehen bekommen, als ich von Deiner Verhaftung gehört habe. Hat das Weib es jetzt sogar noch nach ihrem Tod geschafft, Dich zu bestrafen. Ich drücke Dir die Daumen, dass Du bald ´rauskommst.
Cedric und ‚uns beiden‘ geht es gut. Ich war schon einmal im Krankenhaus, aber es hat sich nichts getan, und so warte ich jetzt weiter auf die Geburt. Meine neue Nachbarin hat gefragt, ob ich Zwillinge bekomme ;-)) Unverschämtheit. Dabei wiege ich ‚nur‘ 80 Kilo ... *ächz*
Schreib´ mal, wie es Dir geht. Ich denke jeden Tag an Dich und schicke ein kleines Stoßgebet in den Himmel, dass Du bald wieder hier bist.
Hab´ Dich lieb,
Deine Nick “
Mit feuchten Händen öffnete ich den letzten Umschlag. Von Leo.
„ Mein lieber Schatz!
Dana musste mich mit vorgehaltener Waffe zwingen, Dir zu schreiben (o.k. das war jetzt ein schlechter Scherz :D ). Ich vermisse Dich. Leider muss ich dauernd daran denken, wie Du mit Dr. K. sprichst, und das ist etwas, das mich gar nicht gut schlafen lässt. Abgesehen von der entsetzlichen Leere in meinem Bett. Ich bin sicher, Dr. K. verteidigt Dich gut, aber auch, dass Du inzwischen seine sonstigen Qualitäten entdeckt hast. Tut mir leid, das kann ich Dir nicht ersparen.
Soll kein Vorwurf sein. Sicher liegt es auch an mir.
Dich nicht zu sehen, ist ein bisschen wie Sonnenfinsternis. Alles nur noch schwarz-weiß statt in Farbe. Ich wusste nicht, dass das geht. Hätte auch gerne auf diese Erfahrung verzichtet. Ich hoffe, Du erwartest nicht, dass ich mich in die Schlange der Besucher einreihe, die Dich nur ansehen, aber nicht anfassen dürfen. Ich könnte das nicht aushalten und trotz Dr. K. und seinem - ich nenne es mal Charme - hoffe ich immer noch, dass auch Du das nicht aushalten würdest.
Ich habe mich erkundigt. Die Ermittlungen gehen voran. Helmers und Dana leisten ganze Arbeit. Dr. K. wird zufrieden sein. Du wirst bald entlassen werden, und egal, was dann ist, ich kann diesen Augenblick kaum erwarten.
Verzeih´ mir bitte meinen Briefstil. Ich kann das nicht so gut wie Gitarrespielen und ... Du
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