Herzgespinst - Thriller
panisch nach Luft schnappen.
Sie berührte vorsichtig ihren Kehlkopf. Er schmerzte, als hätte jemand darauf herumgedrückt. Ihren Hals zugedrückt. Wahnsinn!
Das Date mit Luis hatte sie mehr aufgewühlt, als sie es für möglich gehalten hatte. Verrückterweise fühlte sie sich, als hätte sie etwas Verbotenes getan.
Dabei hatten sie sich nicht einmal geküsst.
Julia gestand sich ein, dass sie deshalb sogar ein wenig enttäuscht war.
Luis zeigte und sagte ihr in jedem Augenblick, wie toll er sie fand. Er hatte keine Probleme, über seine Gefühle zu reden oder eine Abfuhr zu kassieren. Entweder er war wirklich etwas Besonderes, oder er war nur ganz besonders von sich und seiner Wirkung auf Mädchen überzeugt.
Dass Julia nicht wusste, was von beidem stimmte, machte sie irgendwie wütend. Sie behielt gerne die Kontrolle und fand es extrem wichtig zu wissen, wo sie stand. Das war es auch, was sie im Augenblick an Oliver ganz besonders ärgerte. Er spielte ein seltsames Spiel mit ihr, und sie durchschaute noch nicht, wohin das alles führen würde.
Das Rauschen in ihrem Kopf wurde unerträglich laut.
Sie sprang mit einem Satz aus dem Bett und stürzte Richtung Badezimmer. Dabei stolperte sie über Fredo, der vor ihrer Zimmertür geschlummert hatte. Zu Tode erschreckt flüchtete Fredo auf die Garderobe und leckte sich hektisch die Pfote. Aber Julia beachtete ihn nicht weiter. Sie hatte gerade keine Muße für Trost.
Sie drehte den Wasserhahn weit auf und hielt ihr Gesicht unter fließend kaltes Wasser. Sie wusste von damals, dass ihr das helfen würde. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich besser fühlte.
Zum Glück war Sonntag.
Ihre Mutter sollte nicht mitbekommen, dass mit ihr wieder etwas nicht stimmte. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden.
Aber ihre Mutter hatte bis spät nach Mitternacht die Stangenbohnen auf Fäden aufgezogen und zum Trocknen auf den Dachboden gehängt, und schlief deshalb noch tief und fest. Sie war schlafen gegangen, als Julia aus der Roten Sonne nach Hause kam und hatte gähnend angekündigt, am nächsten Morgen endlich wieder einmal auszuspannen.
Julia war das sehr recht. Dann wurde sie wenigstens nicht zu irgendwelchen lästigen Gartenarbeiten gedrängt.
Sie ging leise in die Küche und trank ein paar große Schlucke Orangensaft aus der Flasche im Kühlschrank. Danach zog sie sich eilig an und schlich aus dem Haus.
Sie brauchte dringend frische Luft, um die dunklen Gedanken, die sie verfolgten, loszuwerden. Das klappte am allerbesten, wenn sie mit dem Fahrrad fuhr. An so einem stillen Sonntag wie diesem war das eine Erlösung.
Sie strampelte einfach darauflos. Nach kurzer Zeit schwitzte sie heftig vor Anstrengung.
Julia normalisierte das Tempo und spürte, dass es ihr schon viel besser ging. Sie setzte ihre Fahrt fort, ohne auf die Richtung zu achten. Hauptsache, sie blieb in Bewegung.
»Na also«, dachte sie zufrieden. »Nur ein ganz kleiner, unbedeutender Rückfall. Alles im grünen Bereich.«
Sie hatte keine Ahnung, warum sie auf einmal vor der Scheune stand. Vielleicht, weil sie so sehr damit beschäftigt gewesen war, ihre Angst wegzustrampeln und ihren Atem zurückzuerobern. Sie schaute einem hoppelnden Hasen nach, der eilig Richtung Feld verschwand.
Der arme Kerl erinnerte sie an sich selbst. Bestimmt hatte sie ihn aus seinem Schlummer gerissen und dabei zu Tode erschreckt.
In der nächsten Sekunde entdeckte sie Olivers Fahrrad. Augenblicklich spürte sie das flaue Gefühl in die Magengegend zurückkehren.
Konnte es sein, dass … würde Oliver tatsächlich? Nein, sie wollte diese Vision auf gar keinen Fall zu Ende denken.
Sie stellte ihr Fahrrad ab und ging entschlossen hinein.
Im ersten Moment konnte sie in dem Halbdunkel nur Umrisse erkennen. Alles schien unverändert und es war immer noch so schwül wie vor zwei Tagen. Sie wollte Olivers Namen rufen, aber irgendwie scheute sie davor zurück.
Ihre Augen brauchten eine ganze Weile, bis sie sich an das diffuse Licht gewöhnt hatten. Als sie sich genauer umschaute, konnte sie ihn aber nirgends entdecken. Also kletterte sie die Holzleiter empor auf den Heuboden.
Sie fand Oliver schlafend im Stroh.
Vor Überraschung hielt Julia den Atem an und verharrte so leise wie möglich.
Erst nach einer ganzen Weile wagte sie sich ihm zu nähern.
Er lag völlig entspannt auf dem Rücken und atmete ruhig und gleichmäßig.
Julia war nie zuvor aufgefallen, was für ein schönes und ernstes Gesicht er
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