Herzgespinst - Thriller
falsche Spur ist Pocahontas, oder was?«
Julia sah ihn verständnislos an. »Wen meinst du?«
Luis zuckte mit den Schultern. »Niemanden meine ich. Ich bin bloß ein kranker Kiffer. Allerdings ein verliebter kranker Kiffer. Die können ganz schön heiß sein, wenn sie wollen …« Er sah sie schmachtend an.
»Es reicht mir«, sagte Julia genervt. Sie spürte das Rauschen in ihrem Kopf wieder lauter werden. Sie wollte allein sein.
»Hey, alles nicht so schlimm«, sagte Luis beschwichtigend und stand auf.
»Was ich eigentlich nur sagen wollte: Zu viel Liebe macht krank. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sehen uns morgen auf dem Konzert, meine Süße. Und denk daran, egal, was passiert, ich bin immer für dich da.«
Julia konnte es kaum erwarten, bis Luis verschwunden war.
Sie musste sofort loswerden, was das für ein kranker Typ war. Angespannt wählte sie Olivers Nummer. Leider bekam sie keine Verbindung. Sein Telefon blieb ausgestellt.
29
S hiva hatte recht. Bereits Stunden vor dem Konzert war Oliver so aufgeregt, dass er kaum atmen konnte. Aber es fühlte sich so gut an wie die Vorfreude auf Sex.
Er hatte erneut bei Shiva im Wohnwagen übernachtet und zum Frühstück sogar ihre Brüder kennengelernt. Die waren eigentlich recht cool und sahen gar nicht wie Schläger aus, auch wenn sie im Zirkus die Boxkämpfe ausrichteten.
Vorher hatten Shiva und er bis zum Morgengrauen am Flussufer gesessen und sich eine halbe Ewigkeit den Mond angeschaut.
Oliver war nicht so der romantische Typ, aber mit Shiva war alles anders.
Sie konnte ihm die Geschichte vom traurigen Mann im Mond so einfühlsam erzählen, dass er überall Gänsehaut bekam.
Trotzdem hatte er wieder nicht mit ihr geschlafen.
Oliver wusste selber nicht warum, aber er wollte sich diesmal mehr Zeit lassen. Manchmal machte Sex die Dinge komplizierter als einem lieb war.
Das erlebte er gerade mit Julia. Mit ihr zu schlafen, war nicht geplant gewesen und er bereute es auch nicht. Aber seither wurde er das Gefühl nicht los, dass seine Beziehung zu ihr noch schwieriger geworden war als vorher.
Die Sache beschäftigte ihn so sehr, dass er sogar mit Shiva darüber gesprochen hatte. Dabei war das sonst gar nicht seine Art.
»Das gefällt mir nicht«, hatte Shiva ernst geantwortet. »Ich stehe zwar nicht auf den esoterischen Kram meiner Mutter. Aber die würde sagen, diese tote Katze, der komische Unfall mit der Schere. Zu viele miese kosmische Zufälle. Lass die Finger von diesem Mädchen und halte dich von ihr fern, das wäre ihr Ratschlag.«
Oliver hatte es ziemlich süß gefunden, wie eindringlich Shiva plötzlich darüber mit ihm sprach.
Er hatte ohnehin sofort bereut, dass er sich ihr anvertraut hatte. Die prickelnde Stimmung am Fluss und der volle Mond hatten ihn wahrscheinlich dazu verführt. Was er aus Shivas Worten heraushörte, war wieder mal die typische Eifersucht aufeinander, wie sie seiner Meinung nach nur Mädchen empfanden. Er fand es beruhigend, dass Shiva da auch nicht anders tickte.
»Sehr niedlich«, murmelte er und küsste sie innig. »Aber du brauchst dich gar nicht so ins Zeug legen. Du bist ohnehin meine absolute Favoritin.«
Wenn er mit Shiva zusammen war, fühlte er sich so wohl wie früher mit Julia, bevor alles unklar geworden war. Er hatte keine Ahnung, wie es mit ihr weitergehen sollte. Schließlich hatte er für die Band gerade alles hingeschmissen. Aber genauso wenig konnte er sich vorstellen, Shiva einfach ziehen zu lassen und nie mehr wiederzusehen.
Oliver lief am Flussufer entlang Richtung Freilichtbühne und versuchte sich den heutigen Abend vorzustellen. Noch waren die Holzbänke leer und die Strandbar verriegelt.
Sein Chef würde heute Abend den Umsatz seines Lebens machen, da war Oliver sicher. Auch wenn er die Cocktails diesmal nicht selber mixen würde. Er hatte schon etwas anderes vor. Er würde singen.
Er war Bosse unendlich dankbar, dass er Tom seine Bänder nach Hamburg geschickt hatte. Ihm fiel ein, dass eigentlich erst heute sein allererster Tag in einem ganz neuen Leben war.
Ein plötzlicher Schwindel erfasste ihn.
Gestern war das Schuljahr zu Ende gegangen, er hatte sich nicht einmal sein Zeugnis selber abgeholt. Jetzt begann eine ganz neue Zeit für ihn. Alles war möglich. Er stieg auf die Bühne und legte sich rücklings auf die Holzbretter.
Erwartungsvoll breitete er die Arme aus, schloss die Augen und atmete die Bühnenluft so tief wie möglich ein.
Heute Abend würde er hier eine so
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