Herzgesteuert: Roman (German Edition)
»Bitte, lassen Sie uns das so schnell wie möglich klären …«
Hinter uns hupt es unwillig, und die Ersten scheren aus und umrunden uns wie ein lästiges Hindernis.
Schon ertönt das Martinshorn, und ein Polizeiwagen schlängelt sich vor zur Unfallstelle. Die beiden Polizisten, die da mit hochgeschlagenem Kragen auf mich zukommen, sehen nicht so aus, als wären sie zum Spaßen aufgelegt.
»Ausweis, Papiere bitte!«
Mit zitternden Fingern krame ich im Handschuhfach nach meinem Führerschein, dem Fahrzeugschein und meinem Personalausweis.
»Ich bin schuld, ich bin ganz alleine schuld!«, nehme ich den unwirschen Gesellen schon mal den Wind aus den Segeln. »Es tut mir wahnsinnig leid. Ich war irre in Eile, und dann habe ich Gas gegeben, weil ich glaubte, mein Vordermann packt die Ampel noch …«
»Frau Hempel! Sind Sie das?«, fragt der eine Beamte mit Blick auf mein auffälliges Gefährt mit der Aufschrift »Immobilien Glücksgriff – Leben im Paradies«. Er scheint gar nicht mehr so sauer zu sein wie noch vor dreißig Sekunden. »Sie haben mir meine Altbauwohnung in der Steingasse vermittelt. Erinnern Sie sich nicht?«
»Nein.«
»Ein wahrer Glücksgriff, wirklich! Ich fühle mich sehr wohl da, und inzwischen habe ich eine Dachterrasse gebaut und einen Wahnsinnsblick auf die Altstadt und Abendsonne, und alle meine Freunde beneiden mich …«
»Äh, wie schön für Sie …«
»Ja, dann räumen wir wohl als Erstes mal die Unfallstelle!«
Mein netter Polizist ruft über Funk einen Abschleppwagen, und binnen zehn Minuten sind unsere beiden Fahrzeuge von der Hauptverkehrsstraße entfernt.
Ich bin so schrecklich verwirrt, dass ich einfach nur meinem freundlichen Polizisten folge, der uns schließlich in die Halle des Flughafens dirigiert, um das Protokoll aufzunehmen. Der andere Polizist kümmert sich inzwischen um das schimpfende Bäuerlein.
»Hier ist es wenigstens warm, und es gibt heißen Kaffee!«, lächelt meiner mich an. »So, die Frau Immobilien-Hempel! Wohin sollte es denn gehen so eilig?«
»Nach Kärnten«, antworte ich, nehme dankend den heißen Kaffee entgegen und kämpfe mit den Tränen. »Da hätte ich ein Super-Geschäft gemacht!« Ich versuche ein klägliches Lächeln. »Aber das geht mir jetzt endgültig durch die Lappen!« Ich zucke mit den Schultern: »Es sollte wohl nicht sein! War auch ein alberner Gedanke, ausgerechnet heute … Aber ich bin mit einem berühmten Schlagersänger verabredet, der die Villa aus steuerlichen Gründen noch in diesem Jahr loswerden muss.« Hilflos schaue ich ihn an.
»Warum nehmen Sie denn nicht einen Flieger?«, fragt der Beamte, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. »Dann sind Sie in einer halben Stunde da!«
»Einen was?«
»Einen Flieger! Schauen Sie mal! Die ganzen Russen hier und die Skandinavier, die hier ankommen, für die stehen lauter Lufttaxis bereit!«
»Lufttaxi?« Ich verstehe nur Bahnhof. »Ich denke, die fahren alle mit den Billigbussen …«
»Ja, die Pauschaltouristen! Aber die Individualreisenden, die steigen jetzt auf einen Privatflieger um. Der bringt sie direkt in ihre Skiorte, da stehen sie noch heute auf den Bretteln!«
Na, der Polizist gefällt mir! Das ist das Schöne an meinem Beruf, dass man sich Freunde fürs Leben macht. Auch wenn man sie schon längst vergessen hat. Aber mich vergessen sie nicht.
»Das hört sich gut an …«, stammele ich verlegen, »… aber da werde ich wohl ausgerechnet heute keinen mehr bekommen?«
»Fragen kostet nix!« Der nette Beamte springt schon auf und spricht in sein Funkgerät. »Du, Harry, i hätt da a ganz a nette Bekannte, die müsste geschäftlich dringend nach …« Er sieht mich fragend an.
»Kärnten«, rufe ich, neue Hoffnung schöpfend. »Wörthersee, um genau zu sein.«
»An den schönen Wörthersee!« Mein aufgeräumter Polizist lauscht eine Sekunde. »Keiner? Alle im Einsatz? Kannst du nicht noch mal nachfragen …? Ja, ich weiß , dass das kein Skigebiet ist. Ja, da ist zurzeit tote Hose, das kannst du laut sagen. Na, da kann sie nicht Stand-by … das ist mir schon klar!« Er schiebt sich seine Mütze in den Nacken und kratzt sich am Kopf.
Dachte ich mir doch. Ausgerechnet heute und ausgerechnet an den Wörthersee. Da fährt wirklich kein einziger Mensch Ski. Resigniert stelle ich meinen Kaffee ab. Das ist ein Wink des Schicksals, dass ich auf Fannys Konzert gehen soll.
Mein Polizist lauscht, dann verzieht sich sein Gesicht zu einem erfreuten
Weitere Kostenlose Bücher