Herzgesteuert: Roman (German Edition)
heißt so! Blöd, nicht?« Ich winde mich und komme mir entsetzlich bescheuert vor.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragt der Penner plötzlich und zieht einen Zipfel von seiner Wolldecke, oder was immer das sein soll, von der Bank. Er klopft mit seiner behandschuhten Hand auf das warme Holz. »Ihnen wird ja kalt!«
Ich erstarre.
»Nein! Nein, ich will Sie nicht … ähm … stören!«
Das fehlte noch. Dass ich mich jetzt hier mit ihm gemütlich unter seine Decke einkuschele und ihm das Gesetz des Pythagoras erkläre.
Wenn das die Leute sehen! Man kennt mich in dieser Stadt, und bis jetzt schätzt man mich auch sehr!
»Sie stören mich nicht«, sagt er freundlich. »Ich habe heute nichts Besonderes vor.« Völlig verdattert sehe ich mich um. Was wird denn das jetzt?
Ein ungezwungenes Sit-in? Mitten im Park, wo jeden Moment die halbe Stadt vorbeigehen und mich sehen kann?
»Ich aber«, sage ich entschlossen und gebe mir einen Ruck. »Es ist nämlich so, dass ich … Also ich wohne da hinten und sollte langsam mal in die Gänge kommen, weil ich nämlich ins Büro muss …«
»Lassen Sie sich nicht aufhalten«, antwortet der Penner lässig. »Ich hatte nur den Eindruck, dass Sie über Ihre Tochter reden wollen.«
»Aber doch nicht mit Ihnen!«, entfährt es mir. »Was geht Sie denn meine Tochter an?« Im gleichen Moment möchte ich mir die Zunge abbeißen.
»Entschuldigung«, sagt der Mann sanft. »Da habe ich mich wohl vertan.«
Wir schweigen, und ich merke, dass mir die Knie weich werden. »Es tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten«, stammle ich.
»Nein, das wollen die meisten nicht«, antwortet der Penner, schließt die Augen und wendet sein Gesicht der Sonne zu.
Ich möchte vor Peinlichkeit vergehen.
5
A uf dem Clubabend der Unternehmerinnen erfahre ich, dass sich auch meine Clubschwester Konstanze scheiden lassen wird . Ihr Mann Gregor ist Manager einer großen Kiesfirma, während Konstanze das führende Bekleidungsgeschäft besitzt. Die beiden galten immer als das absolute Traumpaar, und ich bin einigermaßen überrascht.
»Juliane, hast du nicht eine nette Hütte für mich?«
»Natürlich! Wann möchtest du denn … umziehen?«
»Am liebsten gestern!«
»Ja klar«, sage ich schnell und reibe mir nachdenklich über die Nasenwurzel. Nachdem mir der Deal mit dem Landhaus des Schönheitschirurgen erwartungsgemäß durch die Lappen gegangen ist – natürlich war mein Ex, Karsten Korzkamp, schneller -, brauche ich dringend wieder einen lukrativen Auftrag. Und das hier ist zumindest besser als nichts.
Meine Gehirnzellen sortieren aus den 350 Objekten, die ich betreue, das Passende heraus: »Wir haben in Parsch gerade ein wunderschönes modernes Einfamilienhaus am Fuße des Gaisbergs reingekriegt …«
»Da wohnt seine neue Flamme«, unterbricht mich Konstanze. »Außerdem will ich zu Gregor mindestens zehn Kilometer Abstand. Ich brauche ein Gästezimmer und zwei Garagen.«
Meine Gehirnzellen sieben und filtern erneut, wie ein Computer spucken sie wiederum ein für Konstanze passendes Angebot aus.
»Dann nimm doch das Penthouse mit integriertem Aufzug an der Hellbrunner Allee! Wie viel möchtest du denn in etwa investieren?«
»Zwei Millionen dürften kein Problem sein. Ich habe mich bei meinem Anwalt erkundigt. Gregor weiß ja noch gar nichts davon, dass ich mich scheiden lassen werde. Aber sein blondes Gift war doch allzu oft mit ihm in unserem Ferienhaus in der Algarve. Meine Nachbarn in Portugal haben mich genauestens informiert. Gregor wird um einen Unterhalt von mindestens 7 000 Euro nicht herumkommen.«
»Dann ist das Penthouse das Richtige für dich. Der Aufzug bringt dich in den eigenen Fitnessbereich mit Sauna, Whirlpool und Ruheraum mit Blick auf das Schloss Freisaal. Du hast den ganzen Tag Sonne und bist in vier Minuten in der Altstadt. Zwei Garagen und ein Garten mit Springbrunnen, das Ganze abgeschirmt von der Nonntaler Hauptstraße, aber doch in einer ruhigen Wohnsiedlung, wo du abends nicht alleine bist …«
»Das hört sich interessant an. Wie viel Quadratmeter?«
Während ich meiner Clubschwester die Eigentumswohnung mit Untersberg-Blick und Sonne vorm Balkon schmackhaft mache, ertappe ich mich dabei, wie ich unwillkürlich an den Mann aus dem Park denke.
Wo der wohl jetzt ist?
»Herr Dr. Braunwald, bitte seien Sie vorsichtig, es ist alles noch eine Baustelle!«
In spitzen Schühchen balanciere ich vorsichtig über ein Brett und fühle die
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