Herzgesteuert: Roman (German Edition)
anerkennenden Blicke der Bauarbeiter und Poliere, die gerade noch einen Pfiff unterdrücken. Überall stehen Kräne, Planierraupen und andere furchterregende Gefährte, die Krach machen und alles platt fahren. Der Typ in dem Bagger, der gerade den Parkplatz flach walzt, lässt fast seinen Baggerarm in den Ast der Kastanie krachen.
Heimlich lächele ich in mich hinein. Ja, so einen Anblick habt ihr nicht alle Tage, ihr rauen Gesellen!
»So, ich reiche Ihnen die Hand, Herr Dr. Braunwald, ah, da ist ja auch Ihre liebe Gattin, grüß Gott, grüß Gott, haben Sie es gut gefunden?«
Das ist so eine blöde Frage, die ich überflüssigerweise am Anfang jeder Begehung stelle. Natürlich haben sie es gut gefunden, denn sonst wären sie ja nicht hier. Und wenn sie es schlecht gefunden hätten, würden sie es nicht zugeben. Das würde bedeuten, dass sie kein Navi haben und arme Schlucker sind. Aber diese Frage gehört einfach zum Repertoire.
Das reizende Ehepaar sucht eine Ordination für ihre Herren Söhne, Mark und Frank, der eine Kardiologe und der andere Orthopäde. Beide haben in Berlin studiert und wollen jetzt in die Nähe ihrer Eltern nach Salzburg ziehen. Die Schwiegertöchter haben kleine Kinder oder erwarten noch welche, jedenfalls haben sie schon mal entzückende und großzügige Schwiegereltern, die sie gerne in ihrer Nähe wissen wollen.
Für diese nette Familienzusammenführung ist der gute alte Doktor Braunwald auch so großzügig, den jungen Ärzten eine hübsche neue Ordination in verkehrstechnisch bester Lage zu kaufen.
»Was soll ich meinen Jungs alles im Testament vererben, wenn ich mich doch schon zu Lebzeiten an ihrer Nähe erfreuen kann!«
Kinder, nein, mir kommen die Tränen. Wie wahr, wie wahr. Manchmal verdiene ich auch am Glücklichsein der Menschen. Nicht immer nur an ihrem Elend.
Ich kann jedenfalls die Idee des netten Herrn Dr. Braunwald und seiner Gattin nur unterstützen, denn auch auf dieser Großbaustelle winkt eine saftige Provision, wenn es zum Abschluss kommt. Und so balancieren wir artig plaudernd über die Baubretter und erklimmen eine von Holzbrettern geschützte Treppe, bis wir den noch unverputzten riesigen Raum betreten, der einmal eine schicke Arztpraxis werden soll. Überall stehen noch Baugerüste, es liegt Wärmedämmmaterial herum, blaue Säcke, vollgestopft mit gelbem Schaumstoff, Colaflaschen, Rigipsplatten, Eimer, Putz und Mörtel. Mit spitzen Schritten balanciere ich mit meinen hochhackigen Pumps und den feinen Seidenstrumpfhosen zwischen dem ganzen Unrat hin und her. Meine Gehirnzellen arbeiten auf Hochtouren: Das alles hier muss dem lieben Ehepaar nur noch schmackhaft gemacht werden. Denken wir uns den ganzen Schutt einfach mal weg, malen wir uns in den herrlichsten Farben eine modern eingerichtete, chromblinkende Arztpraxis aus, in der Frank und Mark im weißen Kittel zwischen den vielen Patienten herumwirbeln!
»Der offene, großzügige und freundliche Wartezimmerbereich könnte direkt hier unter der Fensterfront entstehen. Ich stelle mir hier locker gruppierte Sitzlandschaften vor, und hier die Rezeption …« Meine Hand gleitet durch die in der Sonne tanzenden Staubkörner, während ich die zu erwartende Pracht und Herrlichkeit der zukünftigen Mark-und-Frank-Ordination beschreibe.
Der gute alte Herr Doktor schaut sich kritisch um: »Das ist wohl der Aufzugschacht?«
»Genau. Für einen Orthopäden ja ganz wichtig, nicht wahr? Bestenfalls kommen die Patienten mit dem Aufzug hinauf und gehen die Treppe wieder hinunter.«
Die reizende Mutter lacht. »Ja, mein Sohn ist ein hervorragender Orthopäde.«
Na prima. Endlich mal kein Fettnäpfchen. Ich hab sie, ich hab sie!
»Dieser Wandputz hier …« Die dreifache Doktorsfrau streicht mit ihren feinen Lederhandschuhen darüber. »… darf da auch Blut draufspritzen?«
»Aber ja, gnädige Frau! Zumal der Praxisbereich natürlich noch nach den Wünschen der jungen Ärzte gefliest wird! Da kann ich Ihnen einen fantastischen Fliesenleger empfehlen …« Ich krame bereits mein Handy heraus und suche nach seiner Handynummer. »Wenn ich Ihnen den Herrn Rauderer gleich mal reichen darf? Er ist sehr nett und hat noch kurzfristig Termine frei!« Das nenne ich Netzwerken. Der Mann schuldet mir einen Gefallen.
Zu ihrer Überraschung hat die Doktorenmutter schon den Fliesenleger an der Backe, und ich höre sie bereits aufgekratzt plaudern. Ich kümmere mich währenddessen um den lieben alten Herrn: »Wie finden Sie den Blick
Weitere Kostenlose Bücher