Herzgesteuert: Roman (German Edition)
bleibe ich sitzen!«
Aber bitte nicht auf der Klobrille!
»Aaaach, das iste nichte schlimme! Mathe iste nichte dasse Lebene!«
Die hat gut reden!
Klofrauen gehen meistens ganz ohne Mathematik durchs Leben. Und vermissen sie auch nicht weiter.
Ich schäme mich: Eine ausländische Putzfrau steht meinem Kind in seiner Verzweiflung bei, während ich in Designerklamotten vor dem Spiegel stehe und mich drehe und wende wie ein Pfau!
In einer Art Reflexhandlung entledige ich mich des edlen Outfits und vergesse ganz, dass für solche Handlungen Kabinen zur Verfügung stehen.
Ziemlich unbekleidet suche ich panisch nach meinem Autoschlüssel. »Ich muss weg!«
»Aber nicht nackert!«, ruft mir meine Monika noch hinterher, als ich blindlings zum Fahrstuhl stolpere. Sie rennt mir mit meinen Kleidern hinterher und wirft sie mir gerade noch rechtzeitig durch den Schlitz, bevor sich die Fahrstuhltür schließt.
Während mich der Lift nach unten trägt, schlüpfe ich schnell wieder in mein Boss-Kostüm. Jetzt hole ich Fanny aus ihrem Elend.
Die Dirigentenwitwe wird untröstlich sein.
Der Sommer bringt die Festspiele, und die Festspiele bringen uns das internationale, schwerreiche Publikum. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Deal durch meine Hände geht! Das ist meine persönliche Festspielzeit. Der Rubel rollt, aber ich bin so ziemlich am Limit.
Wie gut, dass bald Ferien sind. Wenigstens muss ich dann nicht mehr um sechs Uhr aufstehen und meine arme Fanny aus den Federn holen.
Fanny wird wie durch ein Wunder doch nicht sitzen bleiben. Sie hat die Mathearbeit eine Woche später nachschreiben dürfen, allerdings nur, weil ich ein ärztliches Attest von meinem Golffreund Hansrüdiger aufgetrieben habe, der ihr schreckliche Menstruationsbeschwerden attestiert hat. Na ja. Hansrüdiger hat auch die sensationelle Liegenschaft am Fuschlsee durch mich bekommen. Und wie durch ein Wunder hatte Fanny plötzlich eine Drei.
Fanny hat jetzt noch eine Woche Schule. Ihre Freizeit verbringt sie im Park. Der ganze Schulstress ist vorbei. Darüber bin ich froh. Sie braucht wirklich viel frische Luft und Erholung. Mein armes Kind. Wenn ich doch nur in den Ferien Zeit für sie hätte!
Die Villa am Sonnenhang, die mir die Dirigentenwitwe an jenem denkwürdigen Tag angeboten hat! Sie ist immer noch zu haben. Ich habe auch wieder einen Interessenten an der Angel! Ein Multimillionär aus Stuttgart, der mit Heizdecken sein Glück gemacht hat. Man möchte es nicht glauben, aber er hat in den Sechziger- und Siebzigerjahren Heizdecken nach Texas verkauft. Weil man in Texas nie die Heizung aufdreht und viele Menschen nachts in ihren Betten frieren, weil die Klimaanlage Tag und Nacht auf Hochtouren läuft. Auf so was muss man erst mal kommen!
Später ging der Unternehmer dann nach Stuttgart zurück und machte dort eine Firma für Tiefkühlbrezeln auf. Ein Mann der Extreme. Seine Frau Annegret ist ein Riesenfan des längst verstorbenen Dirigenten und will unbedingt in seinen heiligen Hallen residieren! Dafür ist ihr (und natürlich ihm!) kein Preis zu hoch! Das alles habe ich heute Morgen schon telefonisch aus dem Tiefkühlbrezel-Multimillionär herausgekitzelt. Er will ihr die Villa zum 30. Hochzeitstag schenken! Und der ist morgen! Wegen Fannys Matheproblemen musste das Ganze ein bisschen warten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Jedenfalls eilt die Sache jetzt, Besichtigungstermin in zwei Stunden am Sonnenhang. Der Stuttgarter Brezelkönig ist schon in seinen Privatjet gestiegen. Ich muss mich nur noch beeilen!
Es ist später Vormittag, alle anderen Termine habe ich an Stefan Stör übergeben. So viel Kleinviehmist kann der gar nicht machen, wie ich heute absahnen werde! Ich bin für niemanden mehr zu sprechen!
Mit zusammengekniffenen Augen betrachte ich die dunklen Wolken am Himmel. Das Wetter wird doch halten? Das weiß man bei uns im Salzkammergut nie so genau. Die Villa am Sonnenhang ist ein Traum, wenn die Sonne daraufscheint! Vor tiefblauem Himmel kommen ihr sattes Gelb samt den Begonien auf den Balkonen perfekt zur Geltung. Aber bei Regen sieht sie – wie viele Villen am Hang – ziemlich trostlos aus. Und wenn die Wolken tief hängen, ist sie manchmal sogar darin verschwunden. Ich bete , dass das Wetter sich hält!!
Ansonsten muss ich eben das Auge des Betrachters auf mich lenken!
Der Brezelkönig will seinen Notar gleich mitbringen. Das ist ein Riesendeal, der mir meinen Tag – was sage ich, meine nächste
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