Herzgesteuert: Roman (German Edition)
liebe ich.
Meine Blitzeinkäufe bei Monika. Sie ist die Geschäftsführerin im angesagtesten Modegeschäft der Stadt, Hämmerle, mitten in der Getreidegasse.
Sie weiß, dass ich immer in Eile bin. Und dass sie genau fünf Minuten Zeit hat, mir das geniale, einzigartige, umwerfende Outfit an den Leib zu hängen.
Und das schafft sie auch.
Jedes Mal. Gut, heute habe ich zehn Minuten, brauche aber auch fünf Outfits.
Meine Monika ist meine persönliche Modeberaterin, und ohne ihren Rat gehe ich überhaupt nirgendwo mehr hin. Nicht mal zur Chorprobe vom Mozart-Chor. Oder zum Elternabend.
Ich drehe und wende mich gerade ziemlich begeistert in dem von Monika herbeigeschleppten silberfarbenen Outfit, als mein Handy klingelt.
»Immobilien Glücksgriff, Leben im Paradies, was kann ich für Sie tun?«, frage ich kokett lächelnd mein Spiegelbild. Ja, das ist es, ich sehe wirklich umwerfend aus. Ich nicke Monika begeistert zu und mache das Daumen-rauf-Zeichen. Sie küsst ihre Fingerspitzen und grinst.
Zu meinem Entsetzen dringt mir ein verzweifeltes Schluchzen ins Ohr.
»Hallo? Fanny? Bist du das etwa? «
»Mami, ich hab ein totales Blackout!«
Erschrocken blicke ich auf meine Armanduhr. Halb zehn. Eigentlich sollte meine Fanny gerade in der Mathearbeit sitzen. Und ich drücke ihr ja auch ganz doll die Daumen. Ich meine, während ich Klamotten anprobiere.
»Liebes! Beruhige dich! Wie heißt denn die Aufgabe? Ich meine, kann ich dir schnell was durchsagen?«
Wildes, heftiges Schluchzen.
»Wo bist du gerade?«, frage ich, während ich meiner Monika milde lächelnd zu verstehen gebe, dass ich gerade keinen Sinn für die Leopardenhose habe, mit der sie vor meinen Augen herumwedelt.
»Auf dem Klo! Ich musste mich schon übergeben!«
Ach du liebes bisschen.
»Aber warum denn, mein Schatz?! Wir haben doch die ganze Nacht geübt! Du kannst es doch!«
»Ich kann gar nichts mehr, Mama, bitte hol mich ab!«
»Aber wie soll ich jetzt …« Hilflos blicke ich auf die Uhr. Es ist eine Minute nach halb zehn. Und um zehn habe ich die Besichtigung mit der Dirigentenwitwe.
»Pass auf, mein Herz. Du atmest jetzt ganz tief aus und ein, mindestens zehnmal. Ich atme mit dir.«
Zu meinem Entsetzen höre ich Fanny nicht atmen, sondern würgen. O Gott. O Gott! Ich kann doch mein Kind jetzt nicht im Stich lassen!
»Fanny! Ganz ruhig! Wie heißt die Aufgabe? Ich helfe dir! Ich rechne sie dir aus, hier und jetzt!« Verzweifelt raufe ich mir die Haare und stelle mein Glas weg. Mit einer Geste der Verzweiflung bitte ich stumm um Papier und Stift. Fieberhaft beginnt meine Modeberaterin Monika, nach einem Blatt Papier, einem Kuli und einem Taschenrechner zu suchen. »Herr Kaltenbrunner, bitte dringend, vierte Etage!«, ertönt es im Lautsprecher durch alle fünf Stockwerte. Das nenne ich Kundenbetreuung! »Chef, bitte Taschenrechner!«
»Fanny, hörst du das? Wir rechnen hier alle! Die ganze Belegschaft! Die wissen hier alle über Prozente, Skonten, Rabatte und Mehrwertsteuer Bescheid!«
Ich stelle das Handy auf laut und lege es auf den Tisch mit den Designerhandtaschen. Alle lauschen. Nach längerem Stöhnen hören wir Fannys ersterbende Stimme:
»Also, eine Aufgabe geht so: Frau Meier hat 18 Tage Urlaub. 45 Prozent davon verbringt sie in den Bergen und 25 Prozent am Meer. Den Rest verbringt sie mit ihrer Mutter in Oberammergau. Davon waren 17 Prozent verregnet und 28 Prozent war Sturm, und 41 Prozent war ihre Mutter krank. Wie viel Prozent gutes Wetter hatte sie im Rest des Jahres, als sie im Büro saß, wobei ihr Gehalt um 19 Prozent gekürzt wurde und das Finanzamt noch 21 Prozent Steuern aus dem letzten Jahr nachforderte, wenn es noch an 157 Tagen regnete?«
Mindestens vier Modeberater beginnen fieberhaft auf ihre Blocks zu schreiben.
»Na, um Frau Meier ist es auch nicht gerade gut bestellt!«, versuche ich einen Scherz.
»Mama, ich sterbe !«, röchelt mein Kind, und alle Kundenberater schauen mich entsetzt an.
»Sag noch eine andere!«, rufe ich panisch in den Hörer. »Eine kürzere vielleicht!«
Da höre ich es im Handy schrill klingeln. Mist, die Stunde ist vorbei.
Aus dem Hörer kommt nur noch ein panisches Röcheln.
»Ich weiß nichts mehr, Mama! Ich will zu dir! Hol mich hier raus! Bitte, Mama!«, wimmert und schluchzt das Kind.
Plötzlich höre ich eine ausländische Frauenstimme sagen: »Hast du Matura verhauen?« Das scheint die Klofrau zu sein.
»Nein, aber die Mathearbeit«, höre ich Fanny heulen. »Jetzt
Weitere Kostenlose Bücher