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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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alten, grauen, zerschlissenen Mantel. Und mit den löchrigen Socken.
    »Vielen Dank auch.«
    »Schon gut.« Ich verschränke die Arme vor der Brust und mustere ihn kalt.
    Was soll ich denn sonst sagen?
    O bitte, gern geschehen. Und schauen Sie jederzeit gern wieder vorbei. Das nächste Mal versuche ich, das Badewasser pünktlich einzulassen.
    Der Fremde drückt sich an mir vorbei wie ein geprügelter Hund, wobei er das Handtuch sorgfältig festhält. Er riecht gut, so richtig aprilfrisch nach Seife, und er sieht – das muss mein Unterbewusstsein mir jetzt auch noch offenbaren – richtig passabel aus. Seine frisch rasierten Wangen sind geradezu männlich markant, und er hat sogar ein Grübchen am Kinn. Seine dunkelbraunen Haare sind inzwischen getrocknet und haben einen fast seidigen Glanz. An den Schläfen hat er schon ein paar angegraute Strähnen, was ihn richtig attraktiv wirken lässt. Wenn ich nicht wüsste, dass er ein Penner ist, könnte er glatt als … ähm … na ja. Er ist kein Prinz im Adamskostüm.
    Er ist ein Penner. Ein heruntergekommener, gescheiterter, von der Gesellschaft verstoßener … Aber ich kann ihn doch nicht halb nackt auf die Straße schicken!
    Jetzt komm schon, Juliane. Es gibt auch noch so was wie Menschlichkeit.
    Einen kurzen Moment stelle ich ihn mir in einem Anzug von meinem Exmann Karsten vor. Ich müsste ihn nur aus seinem begehbaren Kleiderschrank holen.
    »Warten Sie eine Sekunde.« Schon eile ich an ihm vorbei und reiße die Tür zu Karstens ehemaligem Privatgemach auf. Der Penner folgt mir auf dem Fuße.
    »Nein, nein, lassen Sie doch! Sie haben doch keine Zeit!«, wehrt er höflich ab.
    Panisch wühle ich in den Tweedanzügen, Hemden und Krawatten, die Karsten nie bei mir abgeholt hat.
    Ein Burberry-Mantel samt Schal, ein Seglerpullover von Hilfiger und ein Paar feine schweinslederne maßgeschneiderte Schuhe fliegen auf das Bett.
    Die Motorrad-Lederhose samt passender hüftkurzer Jacke, der Helm … na ja, den braucht er wohl nicht … aber hier, der Tennisschläger – ach nein … aber die ganze Sport- und Freizeitkluft. Wenn er sich beeilt, kann er sie schnell anprobieren. Wie im Rausch werfe ich ihm die Kleidung zu.
    »Bitte, machen Sie sich doch keine Umstände … Sie sind doch in Eile, Ihr Kunde, Ihr wichtiger Kunde, der will doch nicht länger warten!«
    »Jetzt geben Sie schon Ruhe! – Hier! Ziehen Sie das mal an!«
    Ja, das müsste dem Penner passen. Außerdem gibt es keine größere Genugtuung, als Karstens feines, teures Gewand einem Landstreicher an den Leib zu hängen.
    »Hier. Nehmen Sie das.« Mit Schwung werfe ich dem Mann ein paar Anzüge mitsamt Hemden in die Arme, an denen noch die passenden Krawatten hängen.
    »Also die hier, die brauchen Sie vielleicht nicht …« Ich will sie gerade wieder an mich nehmen, als er sagt: »Lassen Sie nur. Die gefallen mir gut.«
    Er lässt seine inzwischen sauberen Hände genießerisch über die Seide gleiten.
    Hä? Der Penner will in Hemd und Krawatte unter der Trauerweide sitzen?
    Mein Handy surrt über die Bettdecke.
    »O Gott! Bitte nehmen Sie das Zeug und gehen Sie ! – Ja! Hempel! Glücksgriff!«
    »Ich finde den Schlüssel nicht«, sagt der Brezelkönig sauer.
    »Sonnenhang NEUN!«, brülle ich genervt. »Garage! – Ach so, es gibt ja mehrere Garagen. Die mittlere! Ersatzreifen an der Wand! Darin liegt der Schlüssel! Und die Alarmanlage hat die Nummer 5657!«
    »Das wird mir jetzt aber doch zu blöd«, sagt der Brezelkönig. »Es gießt ja inzwischen wie aus Eimern! Jetzt sieht die Villa auch gar nicht mehr so schön aus. Ich glaube, ich überlege mir die Sache noch mal …«
    »Die Dirigentenvilla ist wirklich ein schönes Schnäppchen«, versuche ich den verärgerten Mann hinzuhalten. »Beste Lage, Sonne von morgens bis abends – natürlich nur, wenn es nicht regnet, ist klar! Und das Beste: keine Nachbarn! Die Villa ist absolut nicht einsehbar, und man kann darin tun und lassen, was man will! Bedenken Sie mal: Sauna, Außenpool, Innenpool, Whirlpool, und die Stereoanlage ist das Feinste vom Feinsten! Hat der Maestro alles selbst einbauen lassen, damit er seine Symphonien in Originalqualität hören konnte.«
    »Das ist ja alles gut und schön, aber ich will die Villa von Ihnen gezeigt bekommen! Und zwar sofort!«
    »Bitte warten Sie!! Ich biege gerade schon fast in den Sonnenhang ein! Hier ist nur noch eine … Altkleidersammlung, die mir im Wege steht!«
    Wütend knalle ich das Handy zu und komme erst

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