Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Einkäufe auszupacken«, sage ich bestimmt. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
So. Dem habe ich es gegeben.
Entschlossen schlüpfe ich in frische Unterwäsche, ziehe mir einen Pulli und die nächstbesten Jeans an und schreite mutig zurück ins Badezimmer.
Das Klopfen an der Kinderzimmertür hat aufgehört.
»Hallo? Sind Sie noch da drin?«, rufe ich verhalten. Ich schiele nervös auf die Uhr.
»Nein, ich bin inzwischen geschäftlich nach Hongkong geflogen«, kommt es schließlich von drinnen.
Na, der hat Nerven. Jedenfalls scheint er nicht gemeingefährlich zu sein.
Mit einem hastigen Ruck schließe ich die Tür auf. Vorsichtshalber trete ich einen Schritt zurück.
Die Klinke geht ganz langsam herunter, und ich bücke mich instinktiv nach der Nagelschere.
In Zeitlupe geht die Tür auf.
»Ähm … hallo.« Gott, wie peinlich. Da steht er vor mir, nackt bis auf das »Ohne-dich-ist-alles-doof«-Kopfkissen von Fanny, das er sich etwas verschämt vor seine empfindlichste Stelle hält. Völlig gebannt starre ich darauf, bevor ich mich zwinge, meinen Blick nach oben zu lenken.
Sein Gesicht ist wachsbleich, aber frisch rasiert. Ihm sitzt der Schreck genauso in den Gliedern wie mir, das sieht man ihm an.
»Grüß Gott«, zwinge ich mich erst mal völlig wertneutral zu sagen.
»Ich will auch gar nicht groß stören«, sagt er höflich.
»Nein, ist schon okay.« Was rede ich denn da?! »Ich meine, es ist natürlich nicht okay«, schraube ich meine Stimme gleich eine halbe Oktave nach oben. »Sie sind in mein Haus eingebrochen, und das gehört eigentlich der Polizei gemeldet!« Ich baue mich vor ihm auf und stemme die Arme in die Hüften, so wie Christiane das immer tut.
»Klar«, sagt der Penner und lächelt scheu. »Danke, dass Sie es nicht gemacht haben.«
»Ich … ähm … bin ganz fürchterlich in Eile und fordere Sie hiermit auf, sich auf der Stelle anzuziehen und dann …« Das Handy krabbelt schon wieder summend über die Bettdecke. Jetzt werde ich langsam wütend. »Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Mein Termin!«
»Entschuldigung«, sagt er. Kurz begegne ich seinem dunkel äugigen Blick und sehe schnell wieder hinter mich, ins Schlafzimmer, wo das Handy summt.
»Das ist er. Ich meine, mein Kunde. Mein wichtiger Kunde«, belehre ich den armen Mann, der das Kissen möglichst flächendeckend vor sein Allerheiligstes hält. Ich zwinge mich, ans Handy zu gehen. Während ich abhebe, rufe ich noch: »Ziehen Sie sich endlich was an und lassen Sie das Kopfkissen meiner Tochter los! – Ja! Hallo!«
Es ist der Kunde. Der schwerreiche Brezelkönig steht seit zehn Minuten ratlos vor der Villa am Sonnenhang, rüttelt am Eingangstor und ist im Begriff, ziemlich sauer wieder wegzufahren. »Ich kann sonst auch den anderen Makler bitten, mir die Villa zu zeigen!«, droht er, und das ist natürlich der Todesstoß für meine Berufsehre.
Konkurrent Karsten Korzkamp! Only over my dead body!!
»Nein! Tun Sie das nicht! Um Gottes willen! Ich bin hier nur gerade … in einer anderen Angelegenheit … ähm … aufgehalten worden!«, schreie ich panisch ins Handy, während ich mir mit der Bürste wild durch die abstehenden Haare fahre. »Bleiben Sie, wo Sie sind! Ich bin in zwei Minuten bei Ihnen! – Nun machen Sie schon!«, zische ich nach rückwärts ins Bad. Wütend gebe ich dem Penner, der sich umständlich, auf dem Badewannenrand sitzend, zwei Dutzend Sockenpaare übereinander anzieht, zu verstehen, dass er sich gefälligst beeilen soll.
»Bitte? Reden Sie mit mir?«, fragt der Brezelkönig, während der Penner den Rest seiner löchrigen Socken schulterzuckend in die Manteltaschen stopft.
Wahrscheinlich wollte er die auch noch in Ruhe flicken.
»Nichts, ich meine … hier ist jemand so umständlich am Einparken, dass ich nicht vor und zurück kann!«
Der Penner schenkt mir ein leichtes Lächeln, und ich ärgere mich, dass ich es erwidere. »Bitte gedulden Sie sich einen winzigen Moment! Sie können sich das Anwesen doch schon mal von außen ansehen!«
Mit meiner Bürste in der Hand herrsche ich den Penner an, seinen Kleiderhaufen vom Fußboden aufzuheben.
»Es fängt gleich an zu regnen«, sagt der Brezelkönig missmutig. »Ich kriege keine Starterlaubnis mehr für meine Cessna!«
»O bitte, bleiben Sie! Ich eile, ich fliege!!«
In dem Moment setzt sich das Schleuderprogramm meiner Waschmaschine tosend und glucksend in Gang.
Der Penner zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Was?«,
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