Herzgesteuert: Roman (German Edition)
stattfinden?
Nach jedem vollständig konsumierten alkoholischen Getränk darf man einen zusammenhängenden Satz sagen. Bis keiner mehr einen zusammenhängenden Satz sagen kann . Und dann gehen alle Arm in Arm nach Hause. Ich nehme freiwillig die dicke bescheuerte Mutter von der dicken bescheuerten Mathilde.
Kurz und schlecht: Ich hasse Elternabende.
Alles schläft, und einer spricht – genau wie einst im Unterricht.
Während der Rottweiler vorne redet, betrachte ich die wichtigtuerischen Mütter, die dauernd bestätigend mit dem Kopf nicken, und die überernährten Väter, deren Bäuche auf diesen Stühlen erst richtig zur Geltung kommen. Ich finde, Väter, die auf Elternabenden rumlungern, sind die allergefährlichsten Exemplare ihrer Spezies. Die haben alle kein Zuhause und einfach nichts Besseres zu tun, als sich vor versammelter Elternschaft wichtigzumachen.
Und einer sagt ganz richtig – wir Eltern, wir sind wichtig!
Weil ich mich langweile und mich ein bisschen aufheitern will, stelle ich mir die Elternschar als Tiere auf einem Bauernhof vor.
»Ja, aber da müssen wir doch als Eltern Verantwortung übernehmen!«, blökt gerade ein untersetzter Bulle mit Halbglatze und Stiernacken. Alle nicken heftig und scharren mit den Füßen.
»Allerdings«, blöken die Schafe und nicken mit den Köpfen, und »Das musste aber jetzt auch mal gesagt werden!«, meckern die Ziegen.
»Frau Hempel! Was sagen Sie denn dazu? Sie als alleinerziehende Mutter! Sie sind doch direkt betroffen!«, wiehert eine mit Pferdemähne und bleckt ihr Pferdegebiss.
Ich erwache aus meiner Abendmeditation.
»Ähm … wovon?«
»Na, von diesem … Gesindel! Sie wohnen doch direkt am Park!«, bellt ein Wachhund und zerrt an seiner Kette.
Ich sehe mich suchend um. »Gesindel?«
»Ja, aber Ihre Tochter wird ja nun dauernd von dem belästigt«, fällt eine gemästete Graugans über mich her. »Das sagt zumindest meine Sarah.«
Augenblicklich straffe ich mich. » Meine Tochter wird belästigt ? Aber davon weiß ich ja gar nichts!«
»Na, dann sollten Sie sich aber mal um Ihre Tochter kümmern «, krächzt die Graugans und schüttelt ihr Federkleid. »Was meine Sarah mir da alles erzählt!«
»Was erzählt Ihre Sarah denn?«
»Der bettelt die Kinder um Schulbrote an. So geht das ja schon mal los«, blökt ein Esel.
Ich erstarre. Von wem ist die Rede?
Und plötzlich sehe ich alle diese Eltern, die auf mich einschnattern, als große Gänseschar.
Ich stelle mir vor, wie sie aufeinander einhacken, bis irgendwann der Bauer kommt und sie alle schlachtet. Dann kommen sie in die Suppe. Bei dem Gedanken muss ich fast ein bisschen kichern.
»Und neulich hat Ihre Fanny ja fast bei dem auf dem Schoß gesessen!«, ereifert sich eine Muttergans.
»Also, na ja, nicht gerade auf dem Schoß«, quakt eine Langhalsente dazwischen. »Aber auf der Bank hat sie schon gesessen. Direkt neben dieser Kreatur.«
»An Ihrer Stelle würde ich das Kind mal auf Läuse untersuchen. Kratzt es sich oft am Kopf?«
Ich versuche, Sinn und Inhalt dieser Diskussion zu verstehen, und kratze mich automatisch am Kopf. Wer gegen wen?
»Leider erreichen mich immer mehr Beschwerden«, knurrt nun auch der Rottweiler.
» Wer hat Läuse?«, werden nun entsetzte Stimmen laut. Man beginnt mit den Fingern aufeinander zu zeigen!
»Ross und Reiter nennen!«, verlangt ein Blockwart-Gänserich lautstark.
»Diese Kinder dürfen nicht weiter am Unterricht teilnehmen!«
»Der Nikolaus und der Nikolaus.« Der Rottweiler deutet auf zwei verschiedene Plätze, auf denen jetzt ahnungslose Gänsepaare sitzen. »Beide Nikoläuse.«
Während die betroffenen Eltern verstört aufspringen und eine Zuchtente sogar sofort den Platz abwischt, auf dem sie mit ihrem Erpel gesessen hat, unterdrücke ich ein gehässiges Kichern. Bei den Namen, hahaha.
»Das sind ja Zustände wie in der Nachkriegszeit! Glauben Sie ja nicht, ich lasse meiner Rapunzel die schönen langen Haare abschneiden!«
Das Kind heißt allen Ernstes Rapunzel? Glaube ich sofort. Seit Schiela Natascha haut mich nichts mehr um.
»Eine Frechheit ist das! Dass der Dreckskerl unsere Kinder verseuchen darf!« Die Wogen der Empörung schlagen immer höhere Wellen, und es herrscht Aufruhr im Gänsestall.
»Der Schularzt meinte, die ganze Klasse muss für eine Woche unter Quarantäne!«, quaken nun immer mehr aufgebrachte Muttergänse.
»Ja, aber kann man denn da gar nichts machen?«, schnattert eine mollige Mastgans aus der ersten
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