Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Worten lege ich auf. So. Einmal tief durchatmen. Entschuldigend lächle ich dem Interessenten zu. »Familiäre Probleme. Pardon. – Die perfekte Junggesellenwohnung! Unten sind nur Büros drin! Da können Sie mit Ihrem Instrument Remmidemmi machen …« Verschwörerisch nicke ich dem Mann zu, der mich inzwischen unfroh anstarrt, und mache das Daumen-hoch-Zeichen. »Da können Sie auf die Pauke hauen, so laut Sie wollen!«
Das Handy geht schon wieder. Zitternd vor Stress gehe ich dran, und bevor ich mich melden kann, schnattert meine Schwester hysterisch weiter.
»Und außerdem hat Fanny einen dringlichen Elternbrief mitgebracht. Du musst unbedingt heute Abend zum Elternabend, das ist ganz wichtig, hat der Rottmeier geschrieben!«
Ich drücke sie weg und schalte das Handy aus. Die bringt es fertig und ruft glatt noch mal an. Meine Güte, was für eine Penetranz! Mit den Gedanken schon ganz woanders, wische ich den übergeschäumten Sekt von der matt glänzenden Schreibtischplatte und lächle den Kunden gewinnend an.
»Entschuldigung. Jetzt kommt keine Störung mehr, versprochen. Also wie gesagt: Eine Traumlage auf der Rückseite des Mönchsberges, eine gemütliche Junggesellenbude, sofort beziehbar, da hat nämlich ein …« – ich beuge mich vertraulich zu ihm vor – »…ein … ähm … sagen wir mal … Schürzenjäger … gewohnt, der brachte jeden Abend ein leichtes Mädchen …« Ich kichere verschwörerisch, »oder auch mehrere leichte Mädchen für seine Freunde mit. Der soll alles gevögelt haben, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.« Ich lache aus vollem Halse, um meine undamenhafte Bemerkung zu verniedlichen. »Wie dem auch sei, die Vermieterin hat mich angerufen und gesagt, dem ist gekündigt worden. Wir sind ja kein … Freudenhaus, und für diese Festspielhausnähe sucht sie einen seriösen Mieter, der vielleicht im Orchester ist oder ein Regisseur. Wir stellen uns genau so jemanden vor wie Sie … die Miete beläuft sich auf … ähm … lassen Sie mich schnell im Computer nachsehen …« – mit fliegenden Fingern tippe ich auf der Tastatur herum und hebe dann siegessicher den Blick – »… auf 1500 Euro, das ist für die Lage geschenkt.«
Mein Redeschwall bricht ab, als der Mann sich kopfschüttelnd erhebt.
»Was ist los … ich meine, sagt Ihnen mein Angebot nicht zu?«
»Sie selbst haben mir die Wohnung vermittelt.«
Mit offenem Mund starre ich ihn an. Das verstehe ich jetzt nicht.
Ja. Klar. Ich selbst habe ihm gerade die Wohnung vermittelt.
»Über den Preis können wir reden«, sage ich verwirrt. »Was ist also das Problem?«
»Ich BIN der Schürzenjäger«, sagt der Mann abfällig, »Sie wollten mir gerade meine eigene Wohnung zum zweiten Mal vermieten. Ich vögele übrigens nicht alles , was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Bei Ihnen würde ich erst bis hundert zählen.«
11
»Nichts ist so erlabend wie ein Elternabend …«
Abgehetzt und ohne etwas Nennenswertes im Magen komme ich als Letzte durch die Tür gehechtet, lasse mich auf einen freien Stuhl fallen und sichte erst mal die Lage.
Vielleicht habe ich es noch nicht erwähnt, aber ich bin eine bekennende Elternabendmeiderin.
Stell dir vor, es ist Elternabend, und keiner geht hin.
Doch leider. Es ist sogar zum Überlaufen voll.
Bei einem Elternabend sitzen immer die ganzen Neunmalklugen und Strebereltern, die genauso aussehen wie ihre Streberkinder, und machen sich wichtig. Wenn es wenigstens was zu trinken gäbe in dem staubigen, trostlosen Klassenzimmer, wie im Club der Unternehmerinnen! Oder wenn wir alle zusammen singen würden, wie im Mozart-Chor! Wenn wenigstens die Stühle bequem wären! Und wenn es bei Strafe verboten wäre, länger als eine Minute am Stück zu reden! Man könnte Elternabend-Regeln erfinden, die das Ganze so amüsant und kurzweilig machen wie einen Kindergeburtstag: Alle, die was sagen wollen, müssen zuerst eine Pappnase mit integrierter Streberbrille, eine Perücke und einen Hut aufsetzen. Und während sie reden, würfeln die anderen so lange, bis einer eine Sechs hat und selber die Pappnase kriegt. Dann muss derjenige, der gerade redet, sofort die Perücke abgeben und die Klappe halten.
Während ich da so auf meinem Stühlchen hocke, schreibe ich eifrig in meinen Terminkalender und tue so, als würde ich mitschreiben. In Wirklichkeit entwerfe ich gerade ein völlig neues Konzept für gewaltfreie Elternabende. Warum können Elternabende nicht in einer gemütlichen Kneipe
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