Herzgesteuert: Roman (German Edition)
kalt ist, dass das Glas beschlägt, und lächelt mich freudig an. »Wenn sich die Gelegenheit bietet …«
Verlegen lasse ich mich vorsichtig auf einem Barhocker vor der Kochinsel nieder. Dabei halte ich mir den Bademantel über dem Busen zu. Und über den Beinen auch.
Nicht dass er denkt … ich meine, nicht dass er mich missversteht...
Also bei meinem provozierenden Aufzug könnte er ja glatt glauben …
Ich finde, ich sollte augenblicklich so einiges klarstellen.
Aber sein Gesichtsausdruck lässt mich schweigen.
»Auf Ihr Wohl, Juliane. Und Gratulation zu Ihrem heutigen Erfolg.« Er prostet mir zu und wendet sich dann wieder seinen brutzelnden Köstlichkeiten zu.
Eigentlich müsste ich jetzt Fanny anrufen. Sie wartet doch längst auf mich!
Aber ich bringe es nicht fertig. Unauffällig greife ich nach meinem Handy und schicke ihr eine SMS: »Bin noch im Stress, bitte geh schon mal ins Bett! Liebe dich! Mama.« Als Georg einen kleinen Teller mit Tomaten, Schafskäse und frischem Olivenbrot vor mich hinstellt, stecke ich das Handy schnell in die Bademanteltasche.
»Wo haben Sie das her?«, frage ich verblüfft.
»Vom Markt.« Er sieht mich ausdruckslos an.
»Vom Markt ? Sie waren auf dem Markt?«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mir die Stadt angesehen habe.«
»Und da waren Sie Delikatessen einkaufen?!« Von meinem Fünfzigeuroschein, schießt es mir durch den Kopf. Für den er sich eine Fahrkarte kaufen sollte. Der Mann hat wirklich Nerven.
»In der Hoffnung, heute Abend mit Ihnen essen zu können.«
Mir bleibt die Spucke weg. »Sie haben also damit gerechnet, dass …«
»Pssst«, macht Georg und hebt sein Glas, um es leise an meines klirren zu lassen. »Ich habe mit nichts gerechnet. Ich habe es gehofft …«
Wir trinken beide einen Schluck eiskalten Weißwein. Dann legt er einen Tomatenschnitz auf ein Stück Schafskäse, reißt ein Stück Olivenbrot ab und schiebt mir das Ganze in den Mund. Eigentlich hatte ich den Mund geöffnet, um gerade irgendetwas Widerborstiges zu sagen, doch jetzt fresse ich Georg quasi aus der Hand. Ist das nicht eine viel zu intime Geste?
Isch möschte das nischt!
Einen kurzen Moment lang herrscht Schweigen, und wir sehen uns einfach nur an. Auf einmal fällt die Anspannung des Tages von mir ab.
Eine seltsame Art von Geborgenheit macht sich in mir breit. Es ist alles so selbstverständlich! Ich muss nicht funktionieren, keine Phrasen abspulen, nicht toll aussehen und kein Superweib sein. Ich muss nur hier sitzen.
Ich schließe die Augen, während sich der würzige, intensive Geschmack in meinem Mund ausbreitet. Hingebungsvoll fange ich an zu kauen. Dabei seufze ich laut auf. Ach, könnte ich doch für immer hier in der Tennisspielerküche sitzen bleiben!
»Könnt ich zum Augenblicke sagen …«, beginne ich mit vollem Mund.
»Verweile doch, du bist so schön?«, flüstert Georg mit rauer Stimme.
Nee. Faust kann er auch noch. Ich fange an zu grinsen.
Plötzlich spüre ich seinen Handrücken auf meiner Wange.
Ganz zart streicht er darüber.
Mir bleibt das Herz stehen.
Vorsichtshalber lasse ich die Augen geschlossen. Es entsteht eine kleine Pause.
Was jetzt? Eine wohlige Gänsehaut überzieht mich.
O-o! Wir werden doch jetzt nicht … ich meine, das träume ich doch alles nur? Mein Brustkorb hebt und senkt sich, und mir rauscht das Blut in den Ohren.
Ausgerechnet in dem Moment vibriert mein Handy in der Bademanteltasche.
Fanny. Uff. Das ist auch besser so.
»Ich muss drangehen«, sage ich mit belegter Stimme. Er tritt sofort zurück.
Wie in Trance erhebe ich mich: »Fanny? Hast du meine SMS bekommen?«
»Ja. Und ich gehe auch gleich ins Bett, aber …« Sie druckst herum: »Mami, ich muss dir etwas beichten. Sonst kann ich nicht einschlafen.«
»Oh. Oje.« Mein Herz beginnt zu rasen. »Bist du mit den Emos an der Salzach abgehangen?« Ist das der Preis für meine Provision?
Ich fange einen Blick von Georg auf, der gerade frischen Spinat in eine Pfanne gibt, was die Pfanne mit einem Zischen quittiert.
»Nein, spinnst du! Mit diesen Idioten gebe ich mich nicht ab!«
»Aber?« Irgendwie fällt mir ein Stein vom Herzen.
»Aber ich gebe mich mit jemand anderem ab, mit dem du auch nicht einverstanden bist.«
»Nämlich?« Schon wieder fängt mein Herz unrhythmisch an zu klopfen.
»Mami, ich mache mir Sorgen um den Penner.«
Schluck.
»Ähm … warum?«, frage ich betont ahnungslos und versenke mich hastig in mein Weinglas. Die Dampfschwaden aus
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