Herzgesteuert: Roman (German Edition)
und trinkt einen Schluck Wein.
»Na ja, also ehrlich gesagt … Wirklich, ein Flugzeugabsturz? Wann war das?«
»Vor fast genau zwölf Jahren. Im Oktober.« Er schaut kurz an die Decke, als wolle er sich davon überzeugen, dass er mir die Geschichte tatsächlich erzählen will. Ich lasse ihm Zeit, dränge ihn nicht.
Diese Nacht wird lang. So viel ist klar.
»Die Fliegerei war meine Passion. Meine ganze Leidenschaft«, beginnt Georg, und plötzlich sehe ich seine Augen im Schein des Kaminfeuers feucht schimmern. »Ich hatte eine eigene Cessna, einen Viersitzer, und flog meine Auftraggeber zu ihren Businessterminen. Manchmal war ich an ein und demselben Tag in fünf verschiedenen Ländern. Eigentlich war ich eine Art Taxifahrer …« Er versucht ein Lächeln. »Ein Taxifahrer der Lüfte. Man konnte mich buchen. Na ja, und eines Tages buchte mich mein bester Freund.«
Er schluckt und schaut wieder an die Decke.
Mein Herz klopft ziemlich heftig. Was kommt denn da jetzt für ein Hammer?
»In Stockholm war gerade ein Kongress für Zahnärzte, da hat Peter mich gebeten, ihn dorthin zu fliegen. Ich sagte zu, und als meine Frau davon hörte …« Er verstummt kurz, als wolle er darüber nachdenken, ob er weitersprechen soll. »Sie hieß Anna und war Schwedin. Wir waren noch nicht lange verheiratet, und sie hatte immer Heimweh nach ihren Eltern. Sie war ein Model, bildschön, aber irgendwie doch noch ein Kind.«
Er macht eine Pause und blickt aus dem Fenster, wo sich der Sternenhimmel weit über die Berglandschaft spannt. Es sieht alles so wunderschön aus, und ich weiß nicht, ob ich träume oder ob Georg mir diese Geschichte wirklich erzählt.
»Ich hatte mich so wahnsinnig in sie verliebt, als ich sie auf dem Flughafen in Stockholm zum ersten Mal sah. Ich habe sie mit Blumen und Geschenken überhäuft … Im Nachhinein glaube ich, dass ich sie ihren Eltern fast geraubt habe, als ich sie zur Heirat gedrängt habe. Sie muss sich so einsam gefühlt haben in unserer Frankfurter Wohnung, so weit weg von ihrer Familie. Ich war immer unterwegs, und sie konnte noch nicht richtig Deutsch, einen neuen Job hatte sie auch noch nicht …«
Er verstummt erneut und schaut an die Decke, als suche er dort nach einer Erklärung für das, was er mir nun erzählen wird. »Ich habe sie mitgenommen.«
Okay. Okay. Wenn jetzt kommt, was ich befürchte, will ich den Rest der Geschichte, glaube ich, gar nicht mehr weiter hören. Mein Herz rast, und ich klammere mich an meinem Glas fest, dass es fast zerspringt. Bitte nicht weiterreden, Georg. Bitte nicht.
Er senkt den Kopf, sodass ich sein Gesicht nicht mehr erkennen kann.
Dann sprudelt es förmlich aus ihm heraus.
»Peter war auf dem Kongress, und sie hat ihre Eltern besucht und ihre Freundinnen. Ich hatte aber leider kaum Zeit für sie, musste von Stockholm aus noch zwei Banker nach Zürich fliegen. Und als ich Anna dann am Nachmittag wieder abholte, war sie ganz verändert, so aufgekratzt und glücklich. An dem Nachmittag haben wir noch im Haus ihrer Eltern gefeiert, und sie hat sich so gefreut … Na ja, und dann habe ich zum Aufbruch gedrängt, weil es dunkel wurde und man nicht mehr so einfach eine Starterlaubnis bekommt.«
Er macht eine kurze Pause, wofür ich dankbar bin. Ich atme ganz vorsichtig ein und aus.
»Also flogen wir um kurz nach sechs in Stockholm los. Ich hatte vollgetankt und mich in der Landessprache bei der Dame im Tower gemeldet. Ich weiß noch, wie stolz ich war über meine paar Brocken Schwedisch. Anna lachte und meinte, das sei noch verbesserungswürdig. Peter, mein bester Freund, der Zahnarzt, konnte übrigens Schwedisch. Er war der Einzige, mit dem Anna sich in ihrer Muttersprache unterhalten konnte.« Georg schweigt einen Moment und gibt sich einen Ruck, weiterzuerzählen. »Peter saß jedenfalls hinten und arbeitete an seinem Laptop, während Anna neben mir auf dem Beifahrersitz saß.
Ich starte also durch und ziehe die Schnauze nach oben, als ich einen fast unmerklichen Ruck bemerke, so wie wenn jemand an deinem Sicherheitsgurt zieht. Ich wollte Peter und Anna nicht beunruhigen und dachte, solange der Flieger in der Luft ist, gibt es kein Problem. Aber da kam wieder ein Ruck und dann noch einer. Ich spürte so eine Trägheit, als ob kein Benzin drin wäre. Ich hatte aber vollgetankt.
Dann ging alles ganz schnell. Die Propeller blieben stehen, und anschließend ging es in völliger Finsternis abwärts.
Ich habe instinktiv noch einen Gleitwinkel
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