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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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hinbekommen, dann spürte ich, wie ich mit den Flügeln die Bäume abrasierte. Als Nächstes rissen beide Flügel ab. Ich habe keine Sekunde das Steuer losgelassen, obwohl wir jetzt mit 400 Kilometern pro Stunde durch die Lichtung rasten. Dann prallten wir mehrmals mit unglaublicher Wucht auf dem Boden auf und schossen noch ein paar Hundert Meter weiter durch die völlige Dunkelheit. Ich sah noch Funken sprühen und dachte, mein Gott, das Kerosin. Wir überschlugen uns sicher ein Dutzend Mal, und endlich blieb die Kabine mit der Schnauze im Waldboden stecken. Das war eigenartig: zuerst dieses berstende Krachen, und dann war es plötzlich totenstill.
    Peter und Anna hingen in ihren Gurten.
    Anna war zum Glück erst mal bewusstlos, aber Peter schrie wie verrückt, er hatte schwere innere Verletzungen.«
    Wieder macht er eine Pause, für die ich sehr dankbar bin.
    Mir schlägt das Herz bis zum Hals, und ich starre auf Georgs flackernden Schatten, als wäre das nur ein furchtbarer Albtraum.
    »Und was war mit dir?«, frage ich vorsichtig. Meine Hände krallen sich instinktiv in die Wolldecke.
    »Ich hatte den Steuerknüppel im Unterleib, und die Pedale, die durch den immensen Aufprall aus der Verankerung gerissen wurden, haben mir die Beine zertrümmert. Außerdem hatte ich einen Schulter- und Schlüsselbeinbruch, eine Fraktur beider Arme und Schnittwunden im Gesicht, weil ich mit dem Kopf immer wieder gegen die Schalttafel geknallt war. Das Blut lief in Strömen an mir herunter. Ich wollte es wegwischen, konnte aber meine Arme nicht rühren. Du weißt nicht – lebst du? Oder bist du schon über die Ziellinie?
    In so einer Situation realisiert man den Schmerz gar nicht mehr. Und ich dachte, wenn das der Tod ist, vor dem sich alle so fürchten, ist das ja gar nicht so schlimm …«
    »Nicht so schlimm?! Du beschreibst gerade die blanke Hölle …«
    »Nein, es war so ein Schwebezustand zwischen Tod und Leben, und ich wusste, dass ich für die beiden Personen da drin verantwortlich bin, sie waren die einzigen Menschen, die ich wirklich liebte, und deshalb wurde ich auch nicht ohnmächtig. Ich war jede Sekunde bei vollem Bewusstsein.
    Irgendwann wurde mir klar, dass ich die Geräte abschalten muss, denn das Gefährlichste ist Feuer. Wir hatten 550 Liter Kerosin an Bord. Peter hinter mir schrie sich die Lunge aus dem Leib, und Anna kam wieder zu sich. Sie hatte wohl irrsinnige Schmerzen, schaffte es aber als Einzige, sich loszuschnallen. Dann hat sie sich auf mich fallen lassen – diesen Schmerz werde ich mein Leben lang nicht vergessen -, und ich habe ihr gesagt, welche Knöpfe sie drücken muss. Mit der Schulter habe ich den Notausstieg aufgedrückt – das war die Hölle! – und ihr gesagt, sie muss sofort raus, wir können jeden Moment in die Luft fliegen. Aber sie hat gemeint, ohne Peter geht sie nicht. Ich habe gesagt, sie muss sich da rausquetschen, auf den Waldboden fallen lassen und notfalls auf dem Bauch vom Flugzeug wegrobben. Doch Anna stand total unter Schock und hat immer wieder versucht, mit einem Feuerzeug Licht zu machen. Aber die Turbine hatte 800 Grad, da hätte kein Funke draufkommen dürfen.
    Sie wollte immer Peter mitnehmen, aber der war zu dem Zeitpunkt schon ganz still. Anna habe ich irgendwann gegen ihren Willen aus der Luke gedrückt. Und das werde ich mir nie verzeihen. Dass sie nicht in meinen Armen gestorben ist.«
    O Gott. O Gott . Mach, dass ich jetzt aufwache und alles nur ein Traum war.
    Georg bricht ab und starrt wieder aus dem Fenster. Ich weiß nicht, ob ich mich rühren, ob ich ihn berühren oder etwas sagen darf.
    Ich warte einfach nur ab, und das Hämmern meines Herzens ist das einzige Geräusch neben dem Prasseln des Kaminfeuers.
    »Sie lag jedenfalls auf dem Waldboden, hat sich in Schmerzen gewunden und geblutet. Während ihres Todeskampfes hat sie nach Peter geschrien, nicht nach mir. In diesem Moment wurde mir klar, dass sie Peter geliebt hat und nicht mich.
    Ja, und dann habe ich gerochen, dass das warme Nasse, in dem ich saß, nicht nur Blut ist, sondern auch Kerosin. Das lief ganz allmählich in der Kabine aus. Wenn sie das Feuerzeug angemacht hätte, wären wir beide sofort in die Luft geflogen.«
    Ich ringe fassungslos nach Luft, und er flüstert rau: »Das wäre vielleicht auch besser gewesen, das habe ich inzwischen oft gedacht.«
    »Aber du wurdest gerettet«, stoße ich mit Inbrunst aus. »Du lebst!«
    »Das Einzige, was ich tun konnte, habe ich gemacht. Ich habe mir

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