Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Aber er ist doch kein Hund, den man aus Mitleid aufnimmt!
Er ist ein Mann ! Und was für einer, geht es mir schon wieder durch den Kopf, und auch durch andere Körperteile.
O Gott! Schon wieder dieser Adrenalinstoß, diese Mischung aus süßem Entzücken und rabenschwarzem Gewissen.
Wie bei einer Wehe versuche ich, die Magenkrämpfe wegzuatmen.
Ob es ihm wohl genauso ergeht? Ich wage nicht, ihn anzusehen.
Stur umklammere ich das Lenkrad und schaue geradeaus.
Bis gestern war Georg für mich »der Penner« . Über den habe ich manchmal nachgedacht, mich über ihn geärgert oder zumindest gewundert. Wegen ihm habe ich mit Fanny gestritten, aber ich bekam ihn doch immer wieder aus meinem Kopf heraus.
Das ist ab heute anders, fürchte ich.
Dabei will ich ihn wieder aus meinem Kopf herausbekommen! Ich muss in aus meinem Kopf bekommen! Und aus meinem Herzen !
Mit letzter Kraft versuche ich, wieder ganz nüchterne Geschäftsfrau zu sein. Was gestern war, war die berühmte Einmalist-keinmal-Ausnahme.
Die man am besten sofort wieder vergisst.
Ein sogenannter One-Night-Stand.
Natürlich gibt es keinerlei ähm … Zukunft für uns oder auch nur … ein Wiedersehen. Das muss ich ihm irgendwie klarmachen.
Auch nicht auf der Parkbank. Die Sache muss ein Ende haben.
Auch keine Gurkenbrote mehr.
Keine Rechenstunden mit Fanny.
Nichts.
Er sollte aus der Stadt verschwinden.
Ich habe keine Ahnung, was ich zu Hause mit ihm machen soll.
Ich wage immer noch nicht, ihn von der Seite anzusehen.
Wir haben schon die Hälfte des Rückwegs hinter uns, und noch hat keiner von uns ein Wort gesprochen.
Außer »Guten Morgen«. Wir haben so beschämt aneinander vorbeigesehen, als würden wir uns beide wünschen, das gestern – und heute – wäre nie geschehen.
Hoffentlich wünscht er sich das auch.
Bestimmt begreift er, dass er mir nur schaden würde, wenn er jetzt nicht für immer aus meinem Leben verschwindet.
Aber wie soll ich ihm das bloß beibringen?
Ich kann ihm ja schlecht die Parkbank unter der Trauerweide verbieten. Oder ihn polizeilich abführen lassen.
Ach verdammt, in was für einen Teufelskreis habe ich mich denn da begeben?
Was werde ich Fanny sagen, die ihn heute suchen will?
Das muss ein Ende haben. Und zwar sofort.
»So. Da wären wir. Da vorne ist deine Bank.« Ich schaue ihn zum ersten Mal heute wirklich an. »Ich wünsche dir einen schönen Tag.«
Mein Blick ist trotzig, kalt und entschlossen. Dabei bricht es mir fast das Herz.
Ich fühle mich entsetzlich elend. Am liebsten würde ich mich an seine Brust werfen und …
Der knallrote Mercedes-Bus mit der Aufschrift: »Immobilien Glücksgriff – Leben im Paradies« steht ziemlich auffällig am Rande des Parks.
Jeder Spaziergänger, jeder Radfahrer und jedes Schulkind kann ihn sehen.
»Ich wäre dir sehr zu Dank verpflichtet, wenn du dich mit dem Aussteigen ein bisschen beeilen könntest.« War ich das, die da gerade so eiskalte Worte gesagt hat?
Georgs Augen bohren sich in mein Herz.
»Tja …« Er senkt den Kopf: »Dann bleibt mir wieder mal nichts anderes übrig, als Danke zu sagen …«
O Gott. Jetzt muss ich ihn umarmen. Ich starre ihn an, mir schießen die Tränen in die Augen, ich möchte seine Hand nehmen, die wieder in diesen löchrigen Handschuhen steckt …
Nein!
»Georg, ich mag dich wirklich sehr, und das letzte Nacht …« Ich zwinge mich, ihn nicht anzusehen, weil ich dann nicht sagen könnte, was ich jetzt sagen muss. »… das darf nie wieder passieren. Ich werde es immer in meinem Herzen bewahren, aber aus uns kann nie etwas werden. Es ist sicher besser für uns beide, wenn wir uns nie wieder sehen. Und auch für Fanny«, füge ich noch hinzu.
So. Das war deutlich. Ich habe es gesagt. Er hat es kapiert.
Oder etwa nicht?
»Juliane, ich …« Seine Hand wandert unsicher zu mir herüber. Ich ignoriere sie.
Ich kann hier in der Parkallee nicht mit ihm Händchen halten. Am liebsten würde ich ihm das »Sie« wieder anbieten.
»Bitte, Georg.«
Entschlossen beuge ich mich zu ihm rüber und stoße die Beifahrertür auf.
»Bitte. Wenn du mich liebst, respektiere meine Entscheidung.«
»Du bereust es also?«
Jetzt sind sich unsere Gesichter ganz nahe.
Wie er mich ansieht ! Warum zieht sich mein Herz so zusammen?
Ein stechender Schmerz fährt mir in die Brust.
Nein. Mitleid fühlt sich anders an.
Es ist Zuneigung. Und was für welche.
Ich möchte ihm ja helfen. Aber wie?
»Georg, ich bereue nichts. Es war
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