Herzgesteuert: Roman (German Edition)
einfallen.
»Völliger Blödsinn«, stottere ich mit glühenden Wangen. »Ich bin gestern Abend nach dem Notartermin noch mal zur Villa gefahren, um einige Dinge zu erledigen, die der Käufer angeordnet hat. Der Mann, den die angebliche Nachbarin gesehen haben will, war ein … ähm … Handlanger. Jemand, der mir beim Tragen eines Teppichs geholfen hat.«
Stefan Stör starrt mich ungläubig an. »Warum hast du mich denn nicht angerufen? Ich hätte dir doch geholfen!« Mein Blick huscht wie wild durch den Raum, während ich verzweifelt nach einer Antwort suche.
»Ich wollte dich um diese Zeit nicht mehr stören. Du hast ja auch ein Privatleben.«
»Und wo hast du den …«, Stefan zieht das Wort übertrieben in die Länge, sodass es sich richtig zweideutig anhört, »… Handlanger aufgegabelt?«
Mist. Handlanger ist ja auch ein bescheuertes Wort. Jetzt heißt es cool bleiben.
»Am Bahnhof«, sage ich ein bisschen zu schnell.
»Du nimmst wildfremde Leute, die du am Bahnhof aufgabelst, mit in eine Luxusvilla?« Er wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum.
Ich schaue ihm in die Augen, und es ist wie ein Kräftemessen.
»Ich habe ihn ja auch wieder mit rausgenommen.«
»Und was hat es mit dem Geldkoffer auf sich?«, fragt Stefan Stör plötzlich. Das Herz klopft mir bis zum Hals.
»Das Geld habe ich natürlich auf die Bank gebracht«, sage ich stur. »180 000 Euro lässt man ja nicht einfach irgendwo so rumliegen …« Mir entfährt ein hysterischer Lacher, der sich eher wie ein Schluchzer anhört, und ich wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
»Juliane! Weinst du etwa?« Stefan Stör beugt sich erschrocken zu mir herunter.
»Nein. Ich lache. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest – meine Tochter kommt gerade heim.«
24
P uh. Ich stecke in der Scheiße.
Was mache ich jetzt nur? Ich massiere mir die Schläfen, als ich Fanny auch schon durch den Hausflur stampfen höre. Es bleibt keine Sekunde Zeit zum Nachdenken.
Im Gegenteil. Es kommt noch dicker.
Fanny ist völlig aufgewühlt. Mit blitzenden Augen knallt sie ihre Schultasche in die Ecke.
»Mama! Nicht nur, dass der Rottweiler meine Mathearbeit nicht bewertet, weil du ja mittendrin aufgetaucht bist und mir«, sie zeichnet ironisch Gänsefüßchen in die Luft, »die Lösungen gebracht hast, wie du es ja so gern tust …« Ihr Gesicht ist wutverzerrt, und ihre Stimme überschlägt sich.
»Sondern …?«, frage ich, ganz bewusst um einen ruhigen Ton bemüht.
»Mama! Warst du etwa bei den Emos? Die haben sich über mich kaputtgelacht!«
»Ähm … ja!« Vorsichtig versuche ich ihre Hand zu nehmen. »Ich wollte nur schauen, wo du bist!«
»In der Schule !«, brüllt Fanny mich an, und Tränen schießen ihr in die Augen. »Wie immer ! Ich habe so geübt für diese Mathearbeit, und ich hätte einen Einser gehabt! Ich wollte dich überraschen!«
Sprachlos starre ich sie an.
»Und bei den Emos bin ich jetzt total die Lachnummer! Weil du dich immer in mein Leben einmischen musst!« Sie heult hemmungslos.
»Ich wollte nur nicht, dass du in falsche Kreise gerätst«, versuche ich eine Erklärung. Sie schlägt meine Hand weg, mit der ich ihr über den Kopf streichen will. »Pass doch lieber auf, in was für Kreise du selbst gerätst !«
Was soll ich tun? Ihr eine scheuern? Nein, das würde die Sache nur noch schlimmer machen.
»Ich glaube, wir beide müssen uns mal unterhalten«, sage ich mit Nachdruck. Ich versuche ruhig auszuatmen. »Von Frau zu Frau.«
»Du hast ja sowieso nie Zeit für mich!«, kommt es trotzig aus ihrem Mund.
»Fanny. Sieh mich an. Ich habe Zeit für dich.«
Wie aufs Stichwort klingelt mein Handy. Ich greife danach und stelle es ab.
Fanny hebt erstaunt den Blick und sieht mich aus tränenblinden Augen an.
Eine Weile sagt niemand von uns etwas.
Dann sinken wir uns in die Arme.
Stunden später ist unsere Beichte immer noch in vollem Gange.
Wir liegen inzwischen zusammen auf Fannys gemütlichem, großem Himmelbett.
Und zu Fannys grenzenlosem Entsetzen schildere ich ihr, wie Georgs Kopf gestern am frühen Morgen mitten im Tunnel im Rückspiegel auftauchte. Wie ich vor Schreck fast an die Tunnelwand gefahren wäre, ihn dann zuerst an der Autobahn stehen lassen wollte und ihn dann doch mitgenommen habe.
»Mama«, seufzt Fanny. »Das werde ich dir nie vergessen.«
Plötzlich setzt sie sich mit einem Ruck auf: »Mama! Wenn du ihn mitgenommen hast nach Kitzbühel, ist er dann jetzt … weg?«
In
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