Herzgrab: Thriller (German Edition)

» haben wir sogar die cassetta angewendet, aber nichts gefunden. «
    Gerink wusste, dass die Carabinieri mit Ausländern nicht gerade zimperlich umgingen, aber als der Maresciallo zugab, die cassetta anzuwenden, verachtete Gerink ihn noch mehr als vorher. Irgendwo gab es eine Grenze. Bei dieser Methode wurde auf dem Gesicht des Verhörten eine Gasmaske befestigt und langsam ein Eimer mit Meerwasser in die Maske geleert. War es das, was Staatsanwalt Fochetti vorhin gemeint hatte? Der Maresciallo ist effizienter, als Sie denken! Allerdings kam es nicht immer darauf an, die Dinge richtig zu tun, sondern man musste auch effektiv sein, nämlich die richtigen Dinge tun.
    Der Maresciallo ging zur Tür, drehte sich noch einmal um und murmelte nahezu unverständlich: » Falls Sie noch etwas … «
    » Gut, dass Sie es ansprechen « , unterbrach Gerink ihn. » Zwei Cappuccino, aber nicht zu viel Milchschaum. «
    Eine Stunde später hatten sie die Liste durchgeackert. Scatozzas iPhone und sein Laptop hingen am Netz, sie hatten fast jeden Namen damit gecheckt. Die meisten Personen auf dem Ausdruck waren Italiener, einige Spanier und Franzosen. Gerink fiel auf, dass sich sogar ein ostdeutscher Armeearzt im Ruhestand darunter befand, der mittlerweile in Florenz lebte.
    Gerink brauchte eine Pause. Er stand auf und streckte das Kreuz durch. Er wusste nicht, was schlimmer war: die brütende Hitze unter der Glut der Sonne oder die schwüle Hitze, die sich im Moment unter der Wolkendecke zusammenbraute. Er trat ans geöffnete Fenster und blickte über die roten Schindeldächer zum Horizont. Immer wieder erhellte ein Blitz die schwarze Wolkenbank, doch kein einziger Regentropfen fiel zu Boden.
    » Du ersteigerst Holzschnitzereien? « , fragte er.
    » Was? « Scatozza sah ihn verblüfft an. Offensichtlich hatte sein Partner mit vielem gerechnet, aber nicht damit.
    » Diese Räume haben dünne Wände « , erklärte Gerink. » Ich … «
    » Un momento! « Scatozza hob den Finger. Dann senkte er die Stimme. » Erstens geht dich das einen Scheiß an … «
    » He, du schämst dich doch nicht etwa dafür? Ich finde das okay, aber es passt gar nicht zu dir « , unterbrach Gerink ihn.
    » Du findest das okay? «
    » Klar, Elena sammelt Porzellanfiguren. Warum nicht? «
    Scatozza kniff die Augenbrauen zusammen. » Du lachst doch, du Hund! «
    » Nein, gar nicht. «
    Scatozza musterte ihn prüfend. Plötzlich lehnte er sich bequem in den Stuhl und wurde gesprächig. » Mein Großvater mütterlicherseits war Stuhlflechter und Holzschnitzer in Catania. Er hat in den Fünfzigerjahren diese zweirädrigen sizilianischen Pferdekarren mit Schnitzereien verziert und anschließend bemalt. Nichts Besonderes, aber er hat auch eine Serie mit dreißig Krippenfiguren nach Motiven von Caravaggio geschnitzt. So groß. « Er zeigte die Umrisse einer etwa zwanzig Zentimeter hohen Skulptur.
    » Und die Figuren sind wertvoll? «
    Scatozzas Augen glänzten voller Stolz. » Ziemlich wertvoll sogar. Die Sammlung ging nach seinem Tod verloren. Seit Jahren versuche ich, sie zusammenzubekommen. Acht Figuren fehlen noch. Einige wurden jetzt verkauft. « Nachdenklich betrachtete er seine Hände. » Diese Sammlung ist das Einzige in meiner beschissenen Familie, auf das ich stolz sein kann. «
    Noch nie hatte Gerink diese selbstkritische Seite an seinem Partner gesehen.
    » Wir machen einen guten Job « , versuchte Gerink, ihn aufzubauen.
    » Versuchen wir zumindest. « Scatozza faltete den Computerausdruck zusammen. Sie hatten fünfzehn Namen markiert, die in die engere Wahl kamen. Möglicherweise hatte einer davon die Menschen bei lebendigem Leib ausgeweidet, wieder zusammengenäht und anschließend deren Gliedmaßen amputiert. Möglicherweise war der Mörder aber auch nicht darunter. Und was zum Teufel war der Grund für diese irrsinnige Tat?
    » Wir haben keine Zeit, alle fünfzehn in die Mangel zu nehmen « , sagte Scatozza. » Auf wen tippst du? «
    Gerink setzte sich auf die Fensterbank. » Ich habe so ein Gefühl im Bauch. Mir geht dieser Armeearzt nicht aus dem Kopf. «
    » Dieser … « Scatozza blätterte durch die Liste. » Felix Lyashenko? Warum ausgerechnet der? «
    » Elena sucht doch nach Monica Del Vecchios Vater und ist dabei auf diesen Viktor König gestoßen, der ihr ein Veilchen verpasst hat. Von Lisa Eisert wissen wir, dass König ein Stasi-Offizier war. Vielleicht steht er in Verbindung zu diesem pensionierten ostdeutschen Armeearzt? «
    Scatozza