Herzgrab: Thriller (German Edition)
waren, hatte Elena den Ton des Laptops ausgeschaltet, sich aufs Bett gesetzt und nur das Bild beobachtet. Hätte Dindic sich noch einmal blicken lassen, wäre sie mit der Waffe ins Nebenzimmer geplatzt, doch das war nicht passiert. Zudem war das Gespräch im Nebenraum überraschend ruhig verlaufen. Elena hatte auch ohne Ton erkennen können, wie viele Tränen geflossen waren. Es hatte sogar mit einer Umarmung geendet. Was immer dazwischen geschehen war, gehörte zur Privatsphäre ihres Klienten.
Sie griff in ihre Handtasche und holte eine schwarze Plastikhülle mit einer DVD hervor, die sie Hödel auf den Tisch legte. » Die Aufnahme dauert etwa siebzig Minuten. Das ist eine Kopie. Das Original ist auf meinem Notebook und eine weitere Kopie in meinem Schließfach. «
Er schob die Disc zurück. » Ich brauche den Film nicht. «
» Die Sache ist noch nicht ausgestanden « , warnte Elena ihn.
» Ich weiß, viel Arbeit liegt vor uns. «
Elena hatte es anders gemeint. » Sie können Ihre Tochter jederzeit anzeigen. Wir haben genug Beweise. «
» Ich hoffe, es wird nicht nötig sein. «
» Vertrauen Sie ihr? « Was für eine blöde Frage. Er hatte ihr nachspioniert. Allerdings hatte er vor vierundzwanzig Stunden nicht einmal im Traum daran gedacht, dass seine Tochter ihn umbringen lassen wollte.
» Sei deinem Feind näher als deinen Freunden, heißt es nicht so? « , entgegnete er und machte eine lange Pause. » Meine Tochter ist krank. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen – jedenfalls darf ich sie nicht im Stich lassen. Sie ist das Einzige, was ich noch habe « , presste er schließlich hervor.
Elena wurde klar, dass es sich um keine Krankheit im üblichen Sinn handelte. Sie erinnerte sich an die Wörter » Sucht « und » Therapie « . Hödel würde gewiss keine weiteren Details preisgeben.
» Sie hat eine Chance verdient, meinen Sie nicht? « , fügte er hinzu.
Elena nickte. Der Mann liebte seine Tochter über alles. Wäre die Situation nicht so heikel, dann wäre dieser Vertrauensbeweis sicherlich eine rührende Sache gewesen. Doch die Grenze zwischen Naivität und Leichtsinn war schmal. Andererseits war Hödel erfahren genug, um zu wissen, worauf er sich einließ.
» Wollen Sie, dass ich weiterarbeite? « , fragte Elena. » Mir geht es dabei nicht um ein weiteres Honorar, sondern darum, dass Ihre Tochter es vielleicht noch einmal versuchen könnte. «
» Ich glaube Ihnen, dass Sie sich Sorgen um mich machen. « Er nickte. » Doch ab hier kann und will ich allein weitergehen. «
» Ich hoffe, Sie haben sich richtig entschieden. Falls nicht, bin ich für Sie da. «
» Danke. « Er griff in die Schublade und stellte ihr einen Scheck über das vereinbarte Honorar und einen zusätzlichen Bonus aus.
Als sie ihn einsteckte, hatte sie das beklemmende Gefühl im Magen, dass die Sache nicht vollends ausgestanden war. Möglicherweise konnte sie noch etwas für ihn tun. Doch dafür musste sie den richtigen Moment abwarten.
Sie blickte auf die Uhr. Zeit zu gehen. Die Versteigerung würde in einer halben Stunde beginnen.
12
Rinaldi’s lag in der Fußgängerzone am Graben in der Wiener Innenstadt neben dem Stephansdom und dem berühmten Haas-Haus. Einen elitäreren Platz hätte das Auktionshaus für diese Niederlassung kaum wählen können. Elena war bestimmt schon Dutzende Male daran vorbeigelaufen, hatte aber nie ernsthaft damit gerechnet, das Gebäude jemals zu betreten.
Kurz vor elf Uhr war der Trubel in vollem Gang. Zudem spielte das großartige Wetter mit. Sonnenschirme und Bartische mit einem Buffet aus Antipasti standen in einem großen Halbkreis vor dem Eingangsbereich. Einige Pressefotografen schossen Bilder. Wo war Monica? Elena drängte sich zwischen den Leuten über die Treppe zum Eingang hinauf und nahm sich im Vorbeigehen ein Garnelenspießchen vom Tablett eines Kellners.
Von der Kuppel des barocken Gebäudes hing ein mächtiger Kronleuchter. Rechts führte eine breite Marmortreppe zum Auktionssaal. Davor erwartete sie ein klassischer Sektempfang. Über dem Gemurmel der zahlreichen Gäste schwebte der Klang dezenter Orchestermusik; eine Mischung aus Oboen, Waldhörnern und Posaunen. Haydns Schöpfung.
Elena fand Monica neben einer Säule. Die Italienerin blickte sich irritiert um.
» Geht es Ihnen nicht gut? « , fragte Elena.
Monicas Blick entspannte sich. » Gott sei Dank sind Sie da. Normalerweise findet ein solcher Tango nur bei einer Ben ef izveranstaltung oder einer Pressekonferenz vor
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