Herzgrab: Thriller (German Edition)
den Kragen und stieg die Treppe zur Auktionshalle hoch. Einige Leute standen im Gang und gafften sie an. Tonis Blazer sah aus, als könnte ihn nur eine Schneiderin retten. Zwei Knöpfe hingen bloß noch an einem dünnen Faden, und das Presseschild hatte einen Riss am Revers hinterlassen. Als der Arbeiter für einen Moment nicht hersah, schob sie ihren Unterkiefer von einer Seite zur anderen. Er schmerzte höllisch, aber der grobschlächtige Ossi hatte ihr zumindest keinen Zahn ausgeschlagen.
Im ersten Stock angelangt versuchte der Arbeiter, sie noch einmal zu überreden, wegen des vermeintlichen Handtaschendiebs zur Polizei zu gehen, doch Elena überzeugte ihn davon, dass alles in Ordnung sei. Natürlich war es das nicht. Der Mistkerl hatte ihr eine ordentliche Schramme an der Wange verpasst. Aber sie hatte, was sie brauchte: ein Foto von Viktor-wie-immer-du-noch-heißt-Arschloch, und sie würde die Sache auf ihre Weise regeln.
Der Arbeiter begleitete Elena bis zum Versteigerungssaal. Sie legte die Hand auf die Klinke und hörte durch den Türspalt, dass es im Saal mucksmäuschenstill war.
» Möchten Sie einen Kaffee oder eine Cola? «
» Vielen Dank « , flüsterte sie, » aber es ist wirklich alles in Ordnung. «
» Okay, ich wünsche Ihnen alles Gute « , wisperte er, wandte sich ab und ging.
Sie betrat den Raum. Die verbrauchte Luft von knapp neunzig Menschen schlug ihr entgegen. Durch das Gemurmel der Zuschauer drang die Stimme der Auktionsleiterin.
» … zum ersten, zum zweiten und zum dritten – an die Dame mit der Nummer fünf in der dritten Reihe. «
Die Auktionsleiterin schlug auf eine Klingel. » Ich gratuliere. Die Versteigerung ist hiermit beendet. «
Schlagartig setzte der Applaus ein, und die Leute begannen, wild durcheinander zu reden. Einige sprangen auf und griffen zum Handy. Elena stellte sich auf die Zehenspitzen. Es war unmöglich, einen Blick auf die Bieterin mit der Nummer fünf zu erhaschen.
Im nächsten Moment strömten die Menschenmassen zur Tür. Elena drängte sich gegen den Strom zwischen den Leuten zu ihrem Sitzplatz durch. Monica saß immer noch auf ihrem Stuhl.
Die Italienerin bemerkte sie und starrte sie mit großen Augen an. » Um Himmels willen, was ist passiert? «
» Alles okay « , beruhigte Elena sie.
» Ihr Blazer ist zerrissen « , stellte Monica fest. » Oh Gott, Sie haben eine ziemlich schlimme Schwellung! «
» Sie werden es nicht für möglich halten, aber auf der Damentoilette ist die Hölle los. « Elena zog das Handy aus der Handtasche und lud das Foto des Ostdeutschen aufs Display. » Kennen Sie diesen Mann? «
Monica betrachtete das Bild, worauf ihre Gesichtszüge einfroren. » Das ist dieser Viktor, mit dem mein Vater die Auseinandersetzung in seiner Villa hatte. Woher haben Sie das Foto? «
» Er war hier. «
Im Reflex sah Monica sich um.
» Er ist getürmt « , erklärte Elena.
» Hat er Sie so zugerichtet? «
» Entschuldigen Sie bitte? « , murmelte ein Herr, der an Monica und Elena vorbeiwollte.
» Selbstverständlich. « Elena rutschte zur Seite, um die Leute aus der Sitzreihe zu lassen.
» Für wie viel wurde das Gemälde versteigert? «
» Sie haben etwas Unglaubliches verpasst « , entgegnete Monica. Für einen Moment rang sie mit den Worten, und zum ersten Mal hatte Elena den Eindruck, dass ein Riss in ihrer Fassade entstand und sie ehrliche Gefühle zeigte. » Die Höchstbieterin erhielt den Zuschlag für siebzehn Millionen Euro. «
18
Unter dem Scheibenwischer steckte tatsächlich ein Strafzettel. Gerink knüllte ihn zusammen und warf ihn am Straßenrand in den Mülleimer. Die Italiener konnten ihn mal!
Danach fuhren sie zu ihrem Hotel. Der Name Casa delle Rose klang vielversprechend – aber diese Rose war schon vor Jahrzehnten verblüht. Die Unterkunft, die sie von der italienischen Behörde hatten zugewiesen bekommen, lag tatsächlich in einer schäbigen Gegend, und sie passte genau dorthin.
Der Maresciallo hatte nicht übertrieben. In der Via Farfalle roch es einmal mehr nach Katzenpisse und vergammeltem Obst. Der nächste zu bezahlende Parkplatz lag etwa siebenhundert Meter entfernt, und Scatozza fluchte wie ein Matrose, während er seine Umhängetasche, den Seesack und die beiden Trolleys durch die Gassen schleppte. Obwohl Gerink ihm das aus ganzem Herzen gönnte, steckte ein derartiger Hass auf die Florentiner Carabinieri in ihm, dass er Scatozza sogar half und den Laptop trug.
Möglicherweise deutete Dino diese Geste
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