Herzklopfen für Anfänger
von Horley gebeten worden, um die Fusion der beiden Drogerieketten Sandals und Drug-U-Like mit Leben zu erfüllen. Teamentwicklung – oh, wie ich diesen Ausdruck hassen lernte – hieß die Devise. Die »Leute«, wie es in der Einladung enthusiastisch geheißen hatte, sollten sich besser kennenlernen.
Wir wurden nach unserem Eintreffen einer nach dem anderen überschwänglich begrüßt. Es waren zwar nirgendwo Räder zu sehen, stattdessen gab es einen Empfang. Danach, sagte man uns, sei eine kurze Präsentation vorgesehen. Diese sollte angeblich dazu dienen, uns den steinigen Weg zu erklären, auf dem man auch ohne den Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente und Hilfsmittel genügend Umsatz generieren konnte. Zu diesem Zweck wurden wir in eine Art Konferenzsaal gebracht, dessen Wände völlig mit dunkelblauen Vorhängen verhängt waren, auf denen fröhlich winzige Lichter funkelten. Das sah nicht besonders vielversprechend aus. An unseren Plätzen lagen Mappen mit dem Unternehmenslogo von Drug-U-Like in knalligem Pink, außerdem ein Füller und ein Kugelschreiber. Ebenfalls in knalligem Pink war eine Drug-U-Like-Bauchtasche mit Drogeriemarktartikeln: ein Fettstift, eine kleine Tube Sonnencreme, ein Rasierer und eine Strumpfhose. In amerikanischem Sonnenbraun natürlich.
»Du lieber Himmel«, sagte Russell, der neben mir in seiner Bauchtasche kramte. »Was ist das denn? Ein Kondom?«
Vor uns drehte sich jemand um. »Du machst Witze«, sagte ich.
»Ich hoffe es«, antwortete er und betastete das kleine Päckchen vorsichtig.
Ich zog meins aus meiner Bauchtasche. »Es ist eine Slipeinlage, Russell.«
»Warum steht das denn nicht darauf?«
»Weil es aus Amerika kommt«, erklärte Ruth. »Amerikaner sind die prüdesten Geschöpfe der Welt, das weiß doch jeder. Seid still, Leute. Da kommt die Mannschaft.«
Ein halbes Dutzend Männer und Frauen mit Clipboards und perfekten Zähnen setzten sich an den langen Tisch, der auf der Bühne aufgebaut und von einem pinken Tischtuch mit Firmenlogo bedeckt war. Um uns herum wurde das Drug-U-Like-Logo mit Laserstrahlern an die Wände geworfen. Das Licht wurde gedimmt, und laute Musik ertönte. Ich begann zu bedauern, dass ich eben noch ein großes Glas Saft getrunken hatte.
Auf einmal wurde es stockdunkel. Mich erinnerte das Ganze ein bisschen an Disneyland. Dort würde sich wahrscheinlich auch noch der Boden bewegen, Dinosaurier würden ihre schweren grünen Köpfe durch die Falten in den Vorhängen stecken und ihren stinkenden Atem ins Publikum blasen. Russell stöhnte. »Muss das sein?« Er begann einen Kaugummi auszuwickeln.
Aber es gab keine Dinosaurier. Nur einen kurzen, langweiligen Film über die Firmengeschichte mit übermäßig vielen Hinweisen darauf, wie nett sie alle seien. Drug-U-Like, so hieß es, sei genauso, wie ein Drogeriemarkt sein sollte: Gesundheitsförderlich. Prinzipientreu. Kompromisslos in der Preisgestaltung.
Und natürlich pink.
Als die Präsentation vorbei war, ging das Licht wieder an, und ein kleiner Mann in einem pinken Hemd kam aufs Podium. Er dankte uns allen herzlich, dass wir so zahlreich erschienen waren. Wir würden, so hoffte er, mit unseren neuen Kollegen in der Übergangsphase kameradschaftlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Von Entlassungen war nicht die Rede, allerdings hagelte es reichlich Begriffe aus der Unternehmensberatersprache wie Rationalisierung, Reorganisation, Restrukturierung, Aufgabenbereiche. Er baute sie in regelmäßigen Abständen in seine Rede ein, ganz gleich, ob sie passten oder nicht.
»So«, sagte er schließlich und strahlte das ermattete Publikum an. »Jetzt ist Zeit für ein paar Fragen, Leute. Wer traut sich als Erster?«
Schweigen senkte sich über den Saal, unterbrochen von Hüsteln und Räuspern.
»Na, auf geht’s. Schießt los«, forderte er uns auf. Niemand schoss.
»Wie wäre es mit …«
In der ersten Reihe hob sich eine Hand.
»Ja, Sir«, sagte der kleine Mann strahlend und wedelte mit seinem Clipboard.
»Ich möchte wissen, ob auf der Herrentoilette ein neuer Verkaufsautomat installiert wird«, sagte ein Mann.
Totenstille.
»Es freut mich, dass Sie das fragen«, sagte der Redner bewundernswert ernst. »Wir haben eine Fachgruppe für das Human-Ressource-Management gebildet. Das Wohlergehen unserer Angestellten steht ganz oben auf unserer Liste.«
Schließlich durften wir aufstehen und gingen in den Ballsaal zurück, wo wir Gelegenheit hatten, weitere Fragen in einer weniger
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