Herzklopfen für Anfänger
müsste. Dann stiegen wir in sein Auto und fuhren nach London. Innerhalb von fünfundzwanzig Minuten waren wir auf der Autobahn.
Ich war wie betäubt vor Angst. »Das ist alles meine Schuld.«
»Das ist albern«, sagte er ruhig. »Wieso sollst du daran schuld sein?«
Ich packte die Abendtasche, die auf meinem Schoß lag. »Doch, es ist meine Schuld. Ich hätte es kommen sehen müssen. Sie ist schon seit Wochen so verändert. Ich hätte letzte Woche hinfahren müssen. Ich bin so egoistisch! Ich hätte weniger über mich oder über uns nachdenken sollen und stattdessen …«
Ich bekam keinen Ton mehr heraus. Ich konnte nur noch denken, dass Morgan ins Gefängnis musste und dass alles meine Schuld war. Ich hatte kläglich versagt.
Er blickte mich an. »Sally, lass das! Was auch immer mit ihr los sein mag, es wird wahrscheinlich viel harmloser sein, als du dir das ausmalst – und es ist nicht deine Schuld. Außerdem hat sie doch gesagt, dass sie nichts getan hat, oder? Und ich bin ziemlich sicher, sie sagt die Wahrheit. Komm, lass uns keine vorschnellen Schlüsse ziehen.«
»Woher willst du das denn wissen? Woher denn? Du kennst sie doch gar nicht. Theoretisch könnte sie mit Heroin dealen.«
»Glaubst du das?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Ich auch nicht.« Er blickte wieder auf die Straße.
»O Gott. Es tut mir leid. Du hast recht. Es tut mir leid, Nick. Ich kann nicht mehr klar denken. Ich kann einfach nicht mehr.«
»Ich weiß.«
»Und ich hätte Jonathan anrufen müssen.«
»Willst du das vielleicht jetzt machen?«
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Nein, das wollte ich nicht.
Als wir über die Tower Bridge kamen, waren die Straßen in der Innenstadt dunkel und ruhig. Er parkte den Wagen in einer Seitenstraße und begleitete mich zur Polizeiwache. Ich hatte mich ein wenig beruhigt. Es ging um Morgan. Die aufrichtige, brave, vernünftige, gesetzestreue Morgan. Alles würde in Ordnung kommen. Ich würde alles regeln.
Und wenn ich Kaution stellen musste? Was passierte unter solchen Umständen? Mein letzter Kontakt mit der Polizei lag über zehn Jahre zurück, als in Kates Grundschule ein Kurs zu Verkehrserziehung angeboten wurde. Aber das hier war etwas völlig anderes. Beängstigend.
An der Anmeldung stand ein uniformierter Polizist. Er musterte mich fragend, meine dünnen Abendschuhe, die bestickte Abendtasche. Im unbarmherzigen, grellen Licht, auf dem Linoleumboden und vor den Resopaltischen wirkte ich fehl am Platz. Ich trat an die Theke und sagte ihm, wer ich war. Daraufhin veränderte sich seine Miene sichtlich, und er blickte mich milde gelangweilt an. Schon wieder eine Mutter, die ihren missratenen Nachwuchs aus einer unangenehmen Lage rettet.
Sie führten mich in einen kleinen Raum, dessen Beleuchtung an einen Operationssaal erinnerte. Minuten später kam Morgan herein.
Sie sah schrecklich aus. Sie trug einen Trainingsanzug, und ihre Wimperntusche lief ihr in zwei schwarzen Linien die Wangen hinunter. Sie wirkte winzig und völlig verängstigt. Ich sprang auf, um sie zu umarmen. Zudem war sie dünner geworden. Ich hatte sie zuletzt vor wenigen Wochen gesehen, aber sie sah ganz verändert aus. Zerbrechlich.
Als sie mich sah, brach sie in Tränen aus.
»O Mum, Gott sei Dank. Sag es ihnen. Sag ihnen, dass ich nichts getan habe. Ich weiß von nichts. Ich wusste überhaupt nichts davon.«
Die Polizistin, die sie hereingebracht hatte, wies uns an, Platz zu nehmen.
»Sie haben auch Cody verhaftet«, heulte Morgan hysterisch. Ich versuchte sie zu beruhigen. »Sie haben ihn gefunden und ihn verhaftet, Mum! Was soll nur werden?«
Ich blickte die Polizistin an. Sie wirkte nett, wenn auch ein bisschen distanziert. Aber das konnte ich ihr nicht verdenken. Sie nickte mir zu.
»Er ist vor einer halben Stunde hier aufgetaucht«, sagte sie zu mir. »Wir haben ihn in Gewahrsam genommen. Morgan kann gehen.«
»Aber Sie haben sie festgenommen. Weswegen eigentlich?«
»Das ist die Standardprozedur, Mrs Matthews. Wenn in einer Wohnung Drogen gefunden werden, wird natürlich jeder festgenommen, der sich dort befindet. Aber Morgan wurde nicht unter Anklage gestellt. Sie hat eine Aussage gemacht, und wir glauben nicht, dass sie in irgendeiner Weise etwas damit zu tun hat. Möglicherweise müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit ihr reden, aber für den Moment kann sie gehen.«
Ich drückte Morgans Hand. »Gott sei Dank. Aber was ist mit den Drogen? Was geschieht als Nächstes? Was passiert
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