Herzklopfen für Anfänger
Wahrscheinlich ein Polizeibeamter. Er beschrieb mir in sachlichem Tonfall genau den Weg, und ich kritzelte seine Anweisungen auf meine Einladung. Ja, ich wusste den Weg zur Tower Bridge. Ja, ich kannte mich in der City ein bisschen aus. Ja, ich war sicher, dass ich die Leman Street finden würde. Er gab mir die Telefonnummer der Wache und sagte mir, ich solle anrufen, falls ich mich verfahren würde. Dann legte er auf.
»Stimmt etwas nicht?« Eine andere Männerstimme. Ich drehte mich um. Nick.
Ich musste mich zusammenreißen, um ihm nicht schluchzend in die Arme zu sinken, als ich ihn da stehen sah, in seinem Abendanzug und der pinken Fliege. Aber das würde niemandem etwas nützen, am wenigsten Morgan. Ich stand auf und steckte die Karte mit der Wegbeschreibung in meine Abendtasche.
»Ich muss weg.«
»Wohin? Was ist passiert? Sally? Bist du in Ordnung? Du bist kreidebleich.«
Seine Hand bewegte sich auf meinen Ellbogen zu. Ich wich einen Schritt zurück. Unbeantwortete Fragen schwirrten mir durch den Kopf.
»Ich bin okay«, erwiderte ich und bemühte mich, ein wenig Festigkeit in meine Stimme zu legen. »Ich muss nur ein Problem regeln.« Ja, das war es. Ein Problem. Morgan war verhaftet worden. Um Gotteswillen. Es war unfassbar. »Morgan«, sagte ich.
»Sally, um Himmels willen! Was ist passiert?« Er packte mich am Arm. »Du siehst furchtbar aus. Was ist denn passiert?«
»Ich bin okay«, sagte ich noch einmal. »Ich muss nur nach London.«
»Nach London? Sofort?«
Ich nickte. »Morgan ist in Schwierigkeiten. Entschuldigst du mich bei Mr Monroe? Ich fahre lieber gleich. Obwohl es schon fast zehn ist und …«
»Nein«, sagte er und ergriff auch meinen anderen Arm. »Ich lasse dich nicht fahren. Erst sagst du mir, was passiert ist.«
»Ich kann nicht.«
»Doch, du kannst. Ich lasse dich in diesem Zustand nicht fahren. Auf gar keinen Fall. Sag mir, was los ist. Was ist mit Morgan passiert?«
Seine Augen bohrten sich stahlblau in meine, und er hielt meine Arme fest umklammert.
»Sie ist verhaftet worden«, sagte ich.
»Was? Weswegen?«
»Besitz von Ecstasy, allem Anschein nach. Es hat etwas mit ihrem Verlobten zu tun. Sie kann nichts dafür. Und jetzt muss ich fahren«, stieß ich hervor. Ich schüttelte seine Hände ab und wandte mich zum Ausgang, aber er packte mich an der Schulter und hielt mich zurück.
»Kommt dein Mann dich abholen?«
Ich schüttelte den Kopf, bedauerte das jedoch sofort. Wenn ich Ja gesagt hätte, könnte ich schon weg sein. Aber es war zu spät.
»Er ist nicht da«, gab ich zu. »Ich fahre mit einem Taxi nach Hause, um mein Auto …«
»Ich fahre dich«, sagte er.
»Das brauchst du nicht. Da draußen stehen Taxis.«
»Nein, nein. Ich fahre dich nach London«, sagte er.
»Sei nicht albern.« Ich ging auf den Eingang zu. Meine Hände zitterten. Ich ballte die Fäuste. »Ich kann durchaus …«
»Das weiß ich, Sally.« Er war mir dicht auf den Fersen. »Aber ich fahre dich trotzdem. Ich kann dich um diese Uhrzeit nicht allein dort hinfahren lassen.«
Ich fuhr zu ihm herum.
»Das ist doch lächerlich! Ich bin kein Kind«, sagte ich.
Er blickte mich verletzt an.
»Das habe ich doch gar nicht behauptet. Aber ich kann dich trotzdem nicht …«
»Nick, ich muss los. Würdest du mich also bitte bei Mr Monroe entschuldigen? Bitte?« Ich ging weiter. Er kam hinter mir her.
»Sally, sei nicht albern. Lass mich dich fahren. Wenn wir mein Auto nehmen, geht es viel schneller. Und außerdem kannst du dich in deinem Zustand nicht ans Steuer setzen.«
»Ich bin in keinem Zustand.«
»Doch, das bist du. Du bist kreidebleich. Du zitterst. Bitte Sally – lass mich das für dich tun.«
»Nick, bitte, ich will nicht, dass du mitkommst. Okay? Ich kann das ganz allein regeln. Wirklich. Es ist sehr nett von
dir …«
Er blickte mich noch verletzter an. Dann wurde sein Blick streng.
»Sally, ich will nicht nett sein, okay? Ich bin nur vernünftig. Ich mache mir Sorgen. Mir ist klar, warum du nicht willst, dass ich dich fahre, aber du benimmst dich lächerlich. Ich habe mein Auto vor der Tür. In einer knappen Stunde können wir da sein. Es macht doch keinen Sinn, dass du erst mit einem Taxi nach Hause fährst, um deinen Wagen zu holen, während meiner hier steht. Richtig?«
Richtig.
»Okay«, sagte ich.
Der verdammte Kerl! »Okay, okay, okay!«
Er ging zurück in den Saal und erklärte so vage wie möglich, dass jemand aus meiner Familie krank geworden sei und ich nach Hause
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