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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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oder was? Es ist schon zehn nach vier.«
    »Verdammt! Ist ja schon gut. Ich hole deinen Anzug.«
    »Vielen Dank. Ich bin am Abfluggate von BA Inland. Beeil dich.« Damit legte er auf.
    Nick Brown war zwar nicht mein Boss, aber mein tatsächlicher Chef war nirgends zu sehen, und Nick Brown tauchte gerade aus den Nebeln von Walhalla auf, wo er sich anscheinend seit Dienstagnachmittag versteckt hatte. Er stand zufällig ein paar Meter von mir entfernt und blickte mich nachdenklich an. Ich beschloss, die Situation auszunutzen.
    »Hör zu«, sagte ich. »Familienkrise. Kann ich dich um einen Riesengefallen bitten?« Ich musste an seine nächtliche SMS denken, und mein Tonfall fiel ein bisschen schroffer als geplant aus.
    Seine Augen verrieten nichts. »Was gibt es?«
    »Ich muss schnell etwas für meinen Mann abholen. Er muss seinen Flieger bekommen. Normalerweise würde ich mir eine solche Freiheit nie herausnehmen, aber könnte ich vielleicht eine halbe Stunde früher gehen? Ich meine, ich muss nur zum Flughafen, und ich komme so schnell wie möglich zurück. Ich habe noch zwei Termine, aber …«
    Er hob die Hand.
    »He«, sagte er. »Keine Panik. Okay? Russell kann dich sicher vertreten.«
    »Es dauert auch nicht lange.«
    »Keine Panik«, sagte er wieder. Sein beruhigender Tonfall trieb mir Tränen in die Augen. »Und du brauchst heute nicht mehr zu kommen. Fahr einfach. Bis morgen dann, okay?«
    Ich wollte mich bei ihm bedanken. Ihn umarmen – wenn auch nur vorsichtig. Ich wollte ihm sagen, dass ich seine SMS bekommen hatte. Dass ich Mars gesehen hatte und das wirklich großartig fand. Aber ich konnte nicht. Ich war zu nahe daran, in Tränen auszubrechen. Deshalb nickte ich nur dankbar und wandte mich zum Gehen.
    Natürlich fand ich die Quittung von der Reinigung nicht. So dauerte es, trotz der freundlichen Gelassenheit der Angestellten, mindestens zehn Minuten, Jonathans Anzug aufzutreiben. Sie hatten Dutzende davon. In Glyndebourne fand ein großes gesellschaftliches Ereignis statt. Wie immer um diese Jahreszeit.
    Wie konnte er es nur wagen? Wie konnte er es nur wagen, so mit mir zu sprechen? Wie konnte er nur davon ausgehen, dass ich alles stehen und liegen ließ, um einen Anzug abzuholen, an den er mich auch hätte erinnern können. Er hätte ihn auch selbst in die Reinigung bringen können, schließlich hatte ich auch einen Vollzeitjob und keine Sekretärin, die alles für mich ordnete und erledigte. Wie kam er eigentlich darauf, dass ich immer alles für ihn erledigen musste? Und wie konnte er es wagen, so mit mir zu reden? Am Ende stand ich als die Dumme da, indem er mir erklärte, er hätte überhaupt kein Problem damit, seine Sachen selbst in die Reinigung zu bringen. Ich müsste ihm nur sagen, dass ich zu viel zu tun hätte. Er ließ es so aussehen, als sei ich im Unrecht. Okay, dann war ich eben im Unrecht und hätte es nicht vergessen dürfen, aber musste er so gemein reagieren? Ich hatte doch gesagt, es täte mir leid, oder nicht? Weshalb konnte er nicht einfach meine Entschuldigung annehmen und wieder nett zu mir sein? Herr im Himmel! Er war so verdammt überheblich.
    Als ich schließlich meinen Wagen in der Verbotszone parkte und einen Zettel, auf den ich »Notfall« gekritzelt hatte, unter den Scheibenwischer geklemmt hatte, und quer durch den Terminal galoppierte, waren es nur noch fünfzehn Minuten bis zum Abflug. Er stampfte vor dem Schalter der Business Class hin und her und sah so aus, als ob er die nächste Person, die sich ihm näherte, zur Schnecke machen würde. Der Frau in Uniform, die erschreckt davonhuschte, war das bestimmt gerade passiert. Am liebsten hätte ich ihm die Tasche einfach zugeworfen, aber als er mich erblickte, änderte sich sein Gesichtsausdruck total. Als ob ihn ein Sonnenstrahl getroffen hätte.
    »O Sal, du bist eine Heilige«, gurrte er. Er nahm mir die Tasche ab und umarmte mich so begeistert, wie sich Fußballer nach einem besonders gelungenen Tor umarmen. »Es tut mir wirklich leid«, fuhr er fort und tätschelte mir den Rücken. »Du hast recht. Ich hätte es heute früh noch einmal erwähnen müssen. Eigentlich hatte ich das auch vor, aber dann kam eins zum anderen und alles – nun.« Er trat einen Schritt zurück und blickte auf seine Uhr. »Ich gehe besser an Bord. Es tut mir leid, dass ich so brummig war. Das wollte ich nicht. Ich erwarte viel zu viel von dir. Wir alle.« Er lächelte reumütig. »Aber daran bist du selbst schuld. Du bist viel zu effizient.

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