Herzklopfen für Anfänger
»Natürlich.«
Sollte. Sollte. Sollte. So ein kompromissloses Wort.
»Aber du tust es nicht, oder?«, fragte ich nervös.
Er nickte.
»Doch«, sagte er und griff in seine Tasche. »Doch, wenn du es sagst. Noch ist es nicht zu spät.«
Ich ergriff seine Hand.
»Doch«, sagte ich. »Es ist schon viel zu spät.«
Er blickte auf meine Hand und musterte mich dann aufmerksam.
»Nein«, erwiderte er leise. »Keineswegs. Für dich steht viel auf dem Spiel, Sally. Mein Kampf ist schon vorbei. Meine Zukunft ist klar. Aber du …«
Er blickte sich um.
»Ich will nicht, dass du etwas tust, was du vielleicht für den Rest deines Lebens bereust. Ich bin nicht gekommen, um dich zu verführen. Ehrlich gesagt, fühle ich mich im Moment ein bisschen unbehaglich. Ich dachte nicht – du lieber Himmel, es war eine verrückte Idee. Ich wollte dich einfach nur sehen.«
Er starrte wieder aus dem Fenster. Da wir uns immer noch an den Händen hielten, drückte ich seine Hand.
»Mich nur sehen?«, sagte ich.
Er wandte sich wieder mir zu. Seine Augen leuchteten, als ob ich ihm in die Seele sehen könnte, wenn ich nur scharf genug hinschauen würde.
Was für ein alberner Quatsch, aber in seiner Nähe kamen mir unwillkürlich solche Gedanken. Er seufzte. Ein großer, schwerer Seufzer.
»Ich wollte dich sehen, Sally«, sagte er, »und fühle mich wie ein Stück Scheiße.«
»Aber das sollst du nicht.« Der gequälte Ausdruck in seinen Augen machte mir Angst.
»Nein? Ich stehe im Haus eines anderen Mannes und würde am liebsten auf der Stelle mit seiner Frau schlafen. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Himmel, Sally, das war keine gute Idee.«
Ich ließ seine Hand los und schlang die Arme fest um ihn, aber sein Körper blieb hart und starr. Hoffnungslosigkeit stieg in mir auf.
Er trug die gleiche Wildlederjacke wie bei unserer ersten Begegnung. Sie schmiegte sich samtig an meine Wange. Rehbraun. Sie duftete nach ihm.
»Du bist kein Stück Scheiße«, sagte ich noch einmal. »Nicht mehr als ich auch. Es sind eben die Umstände. Du hast recht.«
Ich blickte mich um. Kates Aufführungsplakat hing an der Wand. Jonathans Bierkrug stand auf der Anrichte. Die Karte mit Merlins nächstem Impftermin hing schief an der Korkpinnwand neben der Tür. Und das allgegenwärtige Schuldgefühl wallte um uns herum wie Nebel auf dem Hügel.
»Das ist nicht der richtige Ort. Komm, wir setzen uns in dein Auto und fahren irgendwo anders hin, ja? Lass uns ein bisschen reden. Ach, ich weiß nicht. Schau mich bitte nicht so an. Bitte.«
Jetzt legte er die Arme um mich und zog mich an sich.
»Auf dem Rücksitz also?«, fragte er leise und streichelte mir über die Haare. »Dafür bin ich nicht geschaffen, Sally, das kann ich dir nicht antun.«
Ich löste mich von ihm, weil ich spürte, wie mein Unglück sich zu einem harten, wütenden Knoten ballte.
»Nick, das hast du bereits! In Ordnung, geh wieder. Und dann? Was soll ich dann tun? Ins Bett gehen? Schlafen? Aufstehen? Zur Arbeit fahren? Nach Hause kommen, und am nächsten Tag das Ganze wiederholen, und einfach so tun, als wenn all das nie geschehen wäre?«
»Sally …«
Ich hob empört die Hände.
»Das kann ich nicht, Nick! Seit ich dir begegnet bin, habe ich alles versucht, aber ich kann es nicht. Und ich will es auch nicht. Hörst du? Du irrst dich also. Es ist bereits zu spät. Ich habe die Schwelle überschritten, verstehst du das nicht? So sehr ich mich auch dafür hasse – so sehr ich mir auch wünsche, ein besserer Mensch zu sein. Ein Mensch, der seine Bedürfnisse und sein Verlangen zugunsten der anderen um ihn herum unterdrücken kann. Ich habe festgestellt, dass ich das nicht kann. Wenn du also denkst, ich würde dich einfach wieder gehen lassen, dann …« Ich ließ die Hände sinken. »Nick, das kannst du mir nicht antun.«
Stumm und entsetzt über mich selbst stand ich vor ihm.
Aber ich hatte die Worte einfach aussprechen müssen, auch wenn sie einen bitteren Nachgeschmack in meinem Mund hinterließen. Ich hatte sie aussprechen müssen. Es war sinnlos gewesen, die ganze Zeit darüber zu grübeln, was ich tun sollte. Ich war ein menschliches Tier, und ich wollte diesen Mann. Es war halb zwei Uhr morgens, mein Verstand arbeitete messerscharf. Es hatte keinen Zweck, mein altes Ich wieder zum Vorschein bringen zu wollen. Es war schon lange verschwunden, und nun hatte ich die Wahl. Brav und unglücklich zu sein – oder glücklich zu sein und Schuldgefühle zu haben. Das war
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