Herzklopfen für Anfänger
ist schon in Ordnung, beruhige ich mich. Sie wird es nicht merken. Sehen kann sie es ja nicht. Aber ist das, was mit mir geschehen ist, überhaupt zu übersehen?
Jedes Mal, wenn ich daran denke, überflutet mich eine Adrenalinwelle. Meine Finger und Zehen beginnen zu prickeln, und mein gesamter Körper wird so schwach, als würde ich jeden Moment in Ohnmacht fallen. Und seit Nick um fünf gegangen ist, habe ich ständig darüber nachgedacht, was ich getan habe.
Gewissensbisse.
So fühlen sie sich also an. Ich mustere mich im Garderobenspiegel. Meine frisch gewaschenen Haare fallen in kupferfarbenen Wellen auf meine Schultern, und meine Augen blicken mir strahlend und trotzig entgegen. Das bin ich doch gar nicht, da im Garderobenspiegel. Das ist ein Flittchen, eine Schlampe, eine untreue Frau. Das wahre Ich wendet sich ab und zuckt unter diesem Blick zusammen.
»Hallo«, höre ich meine Mutter zum Hund sagen. »Was haben wir denn da? Ja, was haben wir denn da?«
Nervös laufe ich in die Küche.
O Gott. Etwas von Nick? Seine Boxershorts? Nein, er hatte keine an. Seine Tasse! Aber ich habe sie doch abgewaschen, oder? Und außerdem ist es schließlich meine Tasse, richtig? Sex auf dem Küchenboden kann man ja wohl kaum an einer Tasse auf dem Abtropfbrett erkennen, oder? Lächerlich.
Aber sie ist meine Mutter, und ich habe ein wenig Angst vor ihrer scharfen mütterlichen Nase. Und nicht zum ersten Mal im Leben erschreckt mich der Gedanke, dass meine Mutter immer freien Zugang zu meinen Schubladen hatte. Es gibt keinen Schrank im Haus, in dem sie nicht herumkramen würde. Wie ist sie eigentlich darauf gekommen? Sie hat meine Schränke einfach nie als meine Sache angesehen.
Das ist wohl eine Metapher für den Rest meines Lebens. Die Menschen um mich herum sind einfach daran gewöhnt, für mich die Entscheidung zu treffen, was gut für mich ist. Und das macht mir wirklich Angst. Diese absolute Transparenz meines Lebens. Jeder weiß, wer ich bin, was ich tue, wie ich mich fühle, was gut für mich ist. Dieser Zustand eignet sich natürlich überhaupt nicht für einen Seitensprung, weil dazu Privatsphäre gehört, damit man seine Geheimnisse und Lügen besser pflegen kann.
»Was ist?«, frage ich und nehme Merlins Leine vom Haken.
Aber sie kramt nicht in meinen Sachen herum. Sie sucht nicht den Fußboden nach Beweisstücken ab. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Hund zu verwöhnen. Was ist das nur mit meiner Mutter und Hunden? Ein Blick von ihr, und sie schmeißen sich alle auf den Rücken, lassen sich den Bauch kraulen. Sie wackelt mit einer kleinen Tüte.
»Ach, nur ein paar Schokopastillen für Merlin. Aber nur, wenn du ganz, ganz brav bist.«
»Ich muss noch mit ihm Gassi gehen«, sage ich. »Wann geht der Zug?«
»Halb elf«, erwidert sie und stupst ihn mit einer Schokopastille spielerisch auf die Nase. »Bleib nicht so lange weg.« Sie richtet sich auf. „Ich löse in der Zwischenzeit Kreuzworträtsel.«
Draußen zieht Merlin lebhaft an der Leine, und ich schreite kraftvoll aus und halte mein Gesicht in den warmen Nieselregen.
Ich kann es immer noch nicht glauben, und doch ist es wahr. Kaum fünf Stunden sind vergangen, seit ich mich mit Nick Brown auf meinem Küchenboden gewälzt habe. Ein Teil von mir will nach Hause gehen und unter der heißen Dusche die Erinnerung daran wegschrubben, aber der andere Teil schmiedet bereits Pläne. Fünf Stunden ohne ihn kommen mir bereits zu lang vor.
Ich taste nach dem Handy in meiner Tasche und ziehe es heraus. Während ich die Straße entlanggehe, formuliere ich meine SMS. Hallo … gut zur Arbeit gekommen? Ruf mich an, wenn du da bist. Ich bin mit dem Hund draußen. S. XXX
Ich gehe weiter. Die breite Straße am Ende unserer Straße hinauf, die nächste herunter, über den Bach in den kleinen, baumbestandenen Streifen am Rand der Felder. Dort lasse ich Merlin von der Leine und schaue ihm zu, wie er in den feuchten Farn springt. Wie oft bin ich in den vergangenen Jahren hier mit ihm gewesen, Tag und Nacht, Woche für Woche. Die Strecke ist mir so vertraut, dass ich sie mit geschlossenen Augen gehen könnte. Ich kenne jeden umgestürzten Baum, jede Wildblume, weiß, wann die Brombeeren reif sind und die Hagebutten der Wildrosen glänzend und prall am Strauch hängen. Beruhigende, tröstliche zehn Minuten Einsamkeit an der frischen Luft.
Nicks SMS kommt zehn Minuten später, als ich bereits auf dem Heimweg bin. Ich blicke auf die Uhr und bleibe an der
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