Herzklopfen für Anfänger
Teenager.
»Wisst ihr, was ich heute früh gehört habe?« Russell hockte sich hin und trank einen Schluck von seinem Bier. »Kevin aus der Apotheke schläft angeblich mit dieser Susan aus der Kantine.«
»Nein«, sagte Ruth. »Susan Taylor?« Russell nickte. »Aber sie hat doch erst letzten Februar geheiratet.«
Russell nickte. »Unglaublich, was? Wenn Michael es mir nicht erzählt hätte, hätte ich es nie geglaubt.«
»Grundgütiger«, sagte Ruth und trank einen Schluck. »Wie deprimierend.«
Russell zuckte mit den Schultern. »Ach, ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass Kevin es so sieht.«
»Aber sie ist verheiratet. Wie kann er nur?«
Russell grinste. »Hör dich bloß reden! Dich hat das doch wohl nie abgehalten.«
Ich zuckte stellvertretend für Ruth zusammen. Hoffentlich wechselten sie bald das Thema.
»Möchtest du eine Ohrfeige?«, sagte sie zu ihm.
»Alles nur Gerüchte«, bemerkte ich und gähnte. »Die Leute haben einfach nichts Besseres zu tun. Und, Ruth? Gibt es seit letzter Woche neue Aufträge?«
»Ja, zufällig ja«, erwiderte sie. „Eine Geschichte für Coffee Time. Dreihundert Pfund. So weit, so gut.«
»Du hast einen Schnurrbart«, sagte Russell und wollte ihr den Schaum von der Lippe wischen.
Sie schlug seine Hand weg. »Verzieh dich«, sagte sie.
So weit, so gut.
Ich funktionierte nach außen hin geradezu beängstigend gut. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Leute mit Affären in einem Zustand ständiger Anspannung und Hyperventilation lebten. Ich hingegen war völlig erschöpft, als ich nach Hause kam. So, als ob den Tag über alle Energie aus mir herausgesaugt worden sei.
Ich legte die Weiterbildungsunterlagen, die ich mit nach Hause genommen hatte, um sie mir durchzuschauen, auf den Tisch, schenkte mir den Rest von Jonathans Claret ein und gab Merlin die halbe kalte Pizza, die ich mir eigentlich hatte aufwärmen wollen, aber nicht herunterbekam. Essen wurde zunehmend zur lästigen Pflicht, stellte ich fest.
Ich hatte mir im Pub mit Ruth ein Päckchen Erdnüsse geteilt, und da ich kürzlich ein Buch gelesen hatte, in dem die Heldin dreihundert Seiten lang nichts zu sich nahm als Chips und Rotwein, würde das wohl ausreichen.
Dann duschte ich und ging zu Bett. Ich war so müde. Diese ganze Entschlossenheit und das Grübeln machten mich fertig. Wenn ich früh zu Bett ging, dann würde ich wenigstens ein paar Stunden schlafen, bevor ich von der Ehebruchsfee wieder geweckt und dazu verdonnert wurde, mich eine Stunde lang mit meinem schlechten Gewissen auseinanderzusetzen. Ja, ich würde schlafen. So weit, so gut.
Das Piepsen meines Handys weckte mich. Als ich den Kopf drehte, lag es mit grün leuchtendem Display auf dem Nachttisch neben mir. Ich ergriff es und drückte die Taste.
Eine Nachricht von Nick. Hallo.
Sonst nichts. Ich setzte mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Es war erst kurz nach Mitternacht. Ich war noch nicht einmal zwei Stunden im Bett.
Ich schlafe, tippte ich. Mittlerweile war ich hellwach. Was soll das um diese Uhrzeit?
Sofort kam die Antwort.
Schläfst du im Bett?
Im Bett.
Und bist am Telefon?
Am Telefon.
Am Telefon im Bett?
Am Telefon im Bett.
Und schließlich: Allein?
Ich starrte die SMS eine Ewigkeit lang an.
Nein, in Wirklichkeit wahrscheinlich nur einen Moment lang, aber es kam mir so vor wie der längste Moment meines Lebens. Das war es. Das hatte nichts mehr zu tun mit äußerem Schein. Das war real und furchterregend. Und nun lag der Ball bei mir.
Ich wusste nicht, woher er es wusste, aber er wusste es. Ich schluckte. Alles lag in meiner Hand. Alles hing von der Entscheidung ab, die ich traf. Ich sank zurück in die Kissen und betrachtete mit finsteren Blicken das Handy in meiner Hand.
Insgeheim wünschte ich mir, es sollte klingeln. Um mir die Entscheidung aus der Hand zu nehmen. Aber ich konnte natürlich immer noch wählen, ob ich dranging, oder? Ich konnte nur auf eine einzige Art reagieren. Ich löschte die SMS und schaltete das Handy aus. Dann legte ich mich wieder hin und schloss die Augen.
Aber er war in meinem Kopf.
Ich schlug die Augen wieder auf. Blasse Wolken segelten über einen tintenschwarzen Nachthimmel. Das Telefon war ausgeschaltet nur noch ein kleines Stück Plastik und Metall, aber mir kam es fast so vor, als sei es der letzte Nagel zu meinem Sarg geworden. Ich schüttelte mein Kissen ein bisschen auf und ließ den Kopf wieder darauf sinken. Schloss erneut die Augen. Genau. Ich würde die Augen
Weitere Kostenlose Bücher