Herzklopfen in Virgin River (German Edition)
der Tageszeit so bewusst war, den ganzen Tag nerven musste. Doch was Luke wirklich überraschte, war, dass Art es tat, ohne in Luke das Gefühlwachzurufen, am liebsten von der Klippe springen zu wollen. Denn Luke war in beinahe allen anderen Situationen ungeduldig und leicht in Rage zu bringen.
Ellen öffnete die Tür, begrüßte sie und ließ sie eintreten. Art stand in der Haustür, bis Ellen ihm sagte, wo er Netta fand. „Netta ist im Garten, Art. Ich glaube, sie gießt die Blumen mit dem Schlauch. Geh mal nachsehen.“ Und dann verschwand er lächelnd. „Müssen Sie heute einkaufen, Luke?“
„Ich wüsste gerne, ob wir ein paar Dinge besprechen können“, sagte Luke. „Falls Sie etwas Zeit haben.“
„Klar. Wie wäre es mit Tee oder Mineralwasser?“
„Haben Sie eine Cola?“
„Bringe ich gleich. Setzen wir uns doch ins Wohnzimmer. Ich bin mir sicher, Art und Netta kommen auch ohne uns zurecht, und die anderen Mädchen gucken gerade ihren Lieblingsfilm.“
Sie schenkte sich Eistee in ein Glas und reichte Luke ein Glas mit Eiswürfeln und eine Dose Cola. „Wie geht es Ihnen mit dem Baby?“, fragte sie, in ihrem Lieblingssessel sitzend.
„Wunderbar. Wenn es einem gefällt, angepinkelt und vollgekotzt zu werden und man ansonsten keinen Schlaf braucht.“ Dann grinste Luke und nahm Ellen gegenüber Platz. „Es scheint so, als ob ich das eigentlich alles sehr gerne mag. Das Baby ist schon etwas Besonderes.“
Sie lachte. „Wie kommt Art mit dem Baby zurecht?“
„Er ist sehr behutsam. Er stört das Baby nie, es sei denn, er glaubt, es stimmt etwas nicht. Art hat ein sehr empfindliches Gehör. Krach scheint ihm etwas auszumachen. Wenn der Kleine sehr viel schreit, teilt uns Art das sofort mit, selbst wenn wir danebenstehen und versuchen, das Baby zu beruhigen. Shelby kann mit dem Baby herumwandern, es schaukeln, wiegen, ihm etwas vorsingen, und Art sagt: ‚Shelby, das Baby schreit.‘“
„Es ist wahrscheinlich die Unordnung, die ihn stört“, mutmaßte Ellen lachend. „Das ist wirklich etwas, auf das Art Wertlegt. Seine Alltagsroutine gibt ihm vermutlich den größten Halt. Außer Ihnen und Ihrer Frau natürlich. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?“
Luke lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Nun, falls seine tägliche Alltagsroutine ihm Halt gibt, warum erzählt er mir dann beinahe jeden Morgen als Erstes, welcher Tag ist – Dienstag oder Sonntag? Bestimmt fünfzig Mal am Tag, selbst wenn ich ihm längst gesagt habe, dass ich es weiß.“
„Er will es wahrscheinlich nicht vergessen. Oder dass Sie es vergessen. Es ist ihm sehr wichtig.“
„Hmm. Aber manchmal geht er angeln – obwohl es nicht geplant war …“
„Ich wette doch. Ich denke, irgendetwas daran gehört zu seiner Routine – wenn er zum Beispiel seine Aufgaben erledigt oder sein Frühstück beendet hat oder so. Ich meine, jeder ist zwar verschieden, aber die meisten geistig behinderten Erwachsenen kommen am besten zurecht, wenn sie Dinge aus Gewohnheit machen. Die Mädchen wissen zum Beispiel, dass man sich nach dem Duschen abtrocknet, dann den BH anzieht, dann den Slip, sich dann die Haare föhnt, dann die Kleider anzieht und zum Schluss die Schuhe. Eines meiner Mädchen wurde der Blinddarm entfernt, und wir wollten, dass sie ihren Schlafanzug anbehält und sich wenigstens einen Tag lang auf die Couch legt, wenn sie schon nicht im Bett bleiben wollte. Doch das ist einfach nicht passiert . Ich dachte, es würden die Fetzen fliegen. Wir einigten uns dann auf die Zuhause-Kleider – einen Jogginganzug – und wiederholten immer und immer wieder, bis ich es beinahe im Schlaf konnte: „Nichts heben!“
„Tatsächlich?“, fragte Luke. „So einfach?“
Sie lachte. „Einfach? Also bis es schwierig wird. Manchmal raubt mir so etwas den letzten Nerv.“
Luke neigte sich nach vorne und stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab. „Hören Sie, eine Sache beunruhigtmich wirklich sehr. Art spricht immer wieder davon, heiraten zu wollen. Ich bin zwar einer Meinung mit Ihnen – wer sind wir, ihnen Liebe und Zuneigung zu verweigern? Aber Art und Netta? Verheiratet?“ Luke schüttelte den Kopf. „Ich halte das für keine gute Idee. Jemand müsste sich um die beiden kümmern. Art wird niemals komplett unabhängig sein können. Er kommt zwar großartig klar, wohnt sogar in seiner eigenen Hütte nebenan, hält alles blitzblank sauber, kann sich sogar selbst etwas zu essen machen, wenn es einfach zuzubereiten ist, aber
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