Herzklopfen in Virgin River (German Edition)
Was mich allerdings wirklich interessieren würde, Erin, weshalb hast du das überhaupt gemacht? Ich kenne nicht viele Menschen, die sich einfach einen Sommer lang freinehmen können, und du hast das alles so sorgfältig geplant.“
„Ganz so war es auch nicht. Ian und Marcie kamen ab und zu hierher, um ein Wochenende in der Hütte zu verbringen. UndDrew nutzte die Blockhütte ein paarmal, weil er sich zurückziehen wollte. Sowohl Drew als auch Ian haben die Hütte während des Studiums als Refugium genutzt. Ich war die Einzige in der Familie, die sich nicht besonders für das Haus interessiert hat. Jedenfalls nicht, bevor es noch keine Toilette drinnen gab.“
Mel lachte. „Verständlich. Die Idee, draußen in die Büsche zu machen, hat mich auch noch nie begeistert. Obwohl das übrigens da oben in den Bergen immer noch gang und gäbe ist.“
„Ich dachte, dass ich die Blockhütte gerne mal selbst nutzen würde, falls ich ein bisschen Ruhe brauche. Und als Ian gesagt hat, dass ich machen kann, was ich will, habe ich mich hinreißen lassen. Er hat zugegeben, dass er eigentlich die Installation eines Abwassertanks im Sinn hatte, während ich einen komplett neuen Anbau mit einem großen Bad und einer voll ausgestatteten Küche errichten ließ. Ganz zu schweigen von der gemauerten Feuerstelle und der überdachten Sonnenterrasse.“
„Die Veranda finde ich am besten. Es muss zauberhaft sein, von dort aus den Sonnenuntergang zu beobachten. Du und Paul, ihr seid ein gutes Team.“
„Es ist wunderschön geworden“, stimmte Erin zu.
„Was hat dich auf die Idee gebracht, einen ganzen Sommer dort zu verbringen?“, fragte Mel.
Erin zuckte die Achseln und starrte in ihre Cola. „Ach, weiß nicht. Man hat mich beschuldigt, immer viel zu viel zu arbeiten, und mir vorgeworfen, ich wüsste nicht, wie man sich entspannt.“
Zu ihrer Überraschung lachte Mel leise. „Da kann ich auch ein Lied von singen.“
„Kannst du?“ Erin machte große Augen.
Mel nickte. „Bevor ich Hebamme wurde, hatte ich mal ein paar Jahre lang als Krankenschwester in der Notfallaufnahme gearbeitet und anschließend als Hebamme in einem riesigen Traumazentrum – wir kriegten die kompliziertesten Fälle. Viele unserer Patientinnen hatten ihre Schwangerschaft nichtärztlich begleiten lassen und ernsthafte Probleme. Meine erste Entbindung war eine Frau, die wegen schwerer Straftaten im Gefängnis saß. Man hatte sie mit Handschellen ans Bett gefesselt, und die Polizei stand während der Entbindung daneben und passte auf. Meine ältere Schwester Joey bezeichnete mich als Adrenalin-Junkie.“
„Und dann bist du hierhergezogen“, stellte Erin fest. Mel hatte Erin die Geschichte bei Erins letztem Besuch eigentlich schon einmal erzählt. Damals war Erin hier gewesen, weil sie Marcie gesucht hatte und sie nach Hause bringen wollte. Mel hatte Erin berichtet, dass ihr erster Mann bei einem Verbrechen getötet worden war und dass sie danach aus L. A. geflohen war, um ihr Leben total umzukrempeln.
„Das ging aber nach hinten los“, meinte Mel grinsend. „Ich war auf der Suche nach Ruhe und Frieden und wurde stattdessen von einem Marihuana-Anbauer gekidnappt, da ich einer Frau in einer lebensgefährlichen Situation bei der Entbindung helfen sollte. Dieser Mann hätte mich fast umgebracht, als er auf der Suche nach härteren Drogen als Gras in die Klinik einbrach. Und mein eigenes Baby kam draußen in der Hütte, in der ich mit Jack wohnte, bei Kerzenlicht zur Welt, weil der Strom wegen eines schlimmen Sturms ausgefallen und die Telefonleitungen ebenfalls tot waren. Ein Baum blockierte die Straße. Wir konnten nicht ins Krankenhaus.“
„Wirklich wahr?“, fragte Erin erstaunt. „Das hast du mir beim letzten Mal gar nicht erzählt.“
„Damals warst du hier, um Marcie, die gar nicht gerettet werden wollte, zu retten“, entgegnete Mel. „Da spielte meine Geschichte keine Rolle. Wie dem auch sei, so viel zum Thema: Ich gebe das Adrenalin auf. Obwohl ich zugeben muss, dass die meisten Tage eher friedlich verlaufen. Nur wenn es einmal nicht so ist, dann ist auch hier ziemlich was los.“
„Ehrlich gesagt, könnte ich ein bisschen Aufregung gebrauchen“, murmelte Erin. „Ich schwöre, dass ich, falls mir nocheinmal jemand eine Mail mit dem Inhalt ‚ich solle die freie Zeit genießen und an meinen Rosen riechen‘ schickt …“
Mel lachte laut und herzhaft auf. „Erin, lass dir bloß nicht einreden, wie du dich fühlen sollst. Wenn
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