Herzkurven
plötzlich allen Sauerstoff entzogen.
Sie wechselte die Laken seines Bettes und musste sich hinsetzen, als ihr der Geruch seines Rasierwassers in die Nase stieg. Danny wusste den Namen nicht. Als sie das nächste Mal in eine Drogerie kam, fing sie an, wie ein Bluthund an den Testflaschen der Männerdüfte zu schnüffeln. In dem Moment, als sie eine bestimmte Flasche Dolce & Gabbana entdeckt hatte, begann sie zu schnüffeln wie ein Junkie.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die überraschte Angestellte.
»Nein, können Sie nicht. Entschuldigung.« Danny floh aus dem Laden.
In einem Moment sehnte sie sich nach Ross’ Rückkehr, und im nächsten betete sie, er möge in Amerika bleiben, so dass sie nicht noch einmal eine schmerzhafte Verabschiedung durchleben musste. Wie hatte Nella das ausgehalten? Wie hatte sie es geschafft, Patrick mit einem Lächeln zu verabschieden, wann immer er wieder geflogen war? Danny stellte sich vor, wie sie sich an Ross’ Knöcheln festklammerte, als er davonging. Vielleicht waren Nella und ihre Mutter deswegen so entgegenkommend gewesen: Sie gehen zu lassen hieß, dass sie zurückkommen würden.
Vielleicht.
Joe arbeitete weiter am Haus und erledigte die kleinen Aufgaben, die er auch ohne Ross schaffen konnte. Ross hatte Danny angewiesen, Joe nicht auf das Dach zu lassen, bevor er zurück war. »Er hat immer noch Rückenprobleme, und ich will nicht, dass er allein da oben ist.«
Alle mochten Joe. Er war nett, witzig und völlig offen. Solange er rechtzeitig sein Geld und stetigen Nachschub von Tee und Kuchen für seine Frühstückspause bekam, war er glücklich. Danny fing an, ihm zu helfen, wenn sie nicht im Krankenhaus arbeitete. Sie reparierte gern Dinge, und wenn sie viel zu tun hatte, blieb ihr weniger Zeit, über Ross und die Zukunft nachzudenken.
»Wo sind deine Leute?«, erkundigte Joe sich eines Tages, als sie gerade eine Pause einlegten, nachdem sie die Veranda repariert hatten.
»Meine Leute?« Danny gab ihm eine Tasse Tee und das letzte Stück von einem Kuchen, den Deryl gemacht hatte.
»Deine
whanau
– deine Familie.« Er nahm die Tasse und den Kuchen und setzte sich auf ein paar Bohlen.
Plötzlich verstand sie; Joe war Maori. »Ich weiß, was
whanau
bedeutet, Joe«, sagte Danny. »Ich weiß nicht, wo meine
whanau
sind. Ich habe sie nie getroffen.«
Er biss ein Stück vom Kuchen ab. »Wieso?«
Danny schwieg. Manchmal fragte sie sich, ob Rose sich wohl geschämt hatte, eine unverheiratete Mutter zu sein, weil ihre Familie streng war und ihre illegitimen Kinder nicht akzeptiert hätte.
Joe schluckte und schaute Danny erwartungsvoll an.
Fast widerwillig fing sie an, ihm von ihrer Mutter zu erzählen.
»Sie war aus Rotorua?«, fragte er, als sie fertig war.
»Ja, aber das ist alles, was ich weiß; und ihr Nachname war Smith, was nicht wirklich hilft. Warum konnte es nicht etwas Ungewöhnliches sein? Wie Nebelhorn oder Opossumatem?«, scherzte Danny schwach.
Joe grinste. »Ich habe noch nie von irgendwelchen Nebelhörnern gehört, aber ich habe einen Cousin, auf den Opossumatem recht gut passt.«
Danny lächelte.
»Die Leute deiner Mum sind Te Arawa?«
Sie setzte sich neben ihn. »Soweit ich weiß, ja.«
Joe verputzte das letzte Stück Kuchen. »Hast du ein Foto von deiner Mum, das ich haben könnte?«
»Ja.« Danny war verwirrt. »Warum?«
»Meine Mum ist Te Arawa. Sie kennt jeden, und wenn sie sie nicht kennen sollte, dann kennt sie jemanden, der sie kennt. Wenn du mir ein Foto gibst, zeige ich es meiner Mutter.«
»Das würdest du tun?«, fragte Danny ungläubig.
Joe wirkte verlegen. »Sicher. Juckt mich ja nicht.«
»Danke dir, Joe.« Danny wollte ihn umarmen, aber sie wusste, dass ihm das nur peinlich gewesen wäre. Sie versuchte, etwas zu finden, wie sie ihm danken konnte. Dann hatte sie eine Idee. »Ich sage dir was: Ich backe dir einen Kuchen!«
Joes Lächeln verrutschte; Matt und Mia hatten ihn vor Dannys Kochkünsten gewarnt. »Danke … klasse!«
*
Ross rief an den meisten Abenden an. Nach der Episode in der Drogerie hatte Danny Angst, dass seine Stimme zu hören sie zu etwas ähnlich Unvernünftigem verleiten würde, wie zum Beispiel zu heulen wie ein Wolf – also hielt sie ihre Gespräche kurz und gab das Telefon schnell an eines der Kinder weiter.
»Alles okay?«, würde Ross höflich fragen.
»Ganz prima«, würde Danny genauso höflich antworten. »Ich hole die Kinder.«
Und alles war prima, bis Danny einen Anruf von der Schule
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